27 - Im Lande des Mahdi I
genug, mir zu sagen:
„Effendi, ich weiß nicht, was dich veranlassen kann, diesem frommen und treuen Mann so harte Worte zu sagen. Ich will –“
„Ihn mir empfehlen, nicht wahr?“ fiel ich ihm in die Rede. „Das wolltest du doch. Du hast es ihm versprochen. Er soll mein Diener werden und mich dem Mokkadem in die Hände liefern.“
Der Steuermann war kein so starker Kopf; es wurde ihm himmelangst; als er die Worte hörte, welche vorhin gesprochen worden waren, konnte es nicht länger aushalten und rief, indem er beide Arme über dem Kopf zusammenschlug:
„Ja Allah, ia faza ia hijarahn – o Gott, o Schreck, o Entsetzen! Er ist allwissend; er weiß jedes Wort! Ich gehe; ich laufe; ich verschwinde!“
Er wollte fort; ich hielt ihn am Arm zurück und gebot:
„Bleib! Hast du gehört, was diese beiden vorhin miteinander gesprochen haben, so magst du auch vernehmen, was ich ihnen sagen werde.“
Er ergab sich in sein Schicksal und blieb stehen. Der Raïs hielt es für geraten, nichts zu wissen, denn er fuhr in zornigem Ton an:
„Effendi, du bist mein Passagier, und ich bin gewohnt, höflich mit diesen Leuten zu sein; aber wenn du –“
„Höflich?“ schnitt ich ihm die Rede ab. „Ist es höflich, wenn du mich einen Christenhund nennst, wenn du sagst, ich habe einen Kopf aber keinen Verstand, ich besitze wohl Augen und Ohren, sei aber trotzdem blind und taub? Ist es höflich, daß du es für geraten hieltst, mich lieber hier ermorden –“
„Ermorden?“ unterbrach er mich im Ton beleidigter Unschuld.
„Als mir nur die Brieftasche abnehmen zu lassen?“ fuhr ich fort.
„Brieftasche?“ wiederholte er erstaunt. „Was geht mich denn deine Brieftasche an!“
„Nichts, gar nichts; das ist wahr. Und dennoch hast du sie bei dir! Gib sie heraus!“
Da richtete sich seine Gestalt möglichst hoch auf, und er fuhr mich an:
„Effendi, ich bin ein Moslem, und du bist ein Christ. Weißt du, was das hier in diesem Land zu bedeuten hat? Ferner, ich bin der Raïs, und du bist mein Passagier. Weißt du, was auch das zu bedeuten hat, hier an Bord?“
„Und endlich“, ergänzte ich seine Rede, „bin ich ein ehrlicher Mann; du aber bist ein Schurke. Weißt du, was daraus folgt? Wir befinden uns nicht im Sudan, sondern hier in Gizeh, wo es einen Mudir gibt und wo nach deinen eigenen Worten unsere Konsuls eine Macht besitzen, welche du zu fürchten hast. Der Muza'bir ist entkommen und –“
„Der Muza'bir!“ schrie der Steuermann auf. „Er weiß alles, alles, sogar das!“
„Ja, ich weiß freilich alles. Dieser Raïs hat sich über mich lustig gemacht, indem er meinte, ich sei zu dumm, um etwas zu merken. Er sagte, ein wahrer Gläubiger hätte sofort geahnt, daß eine Gefahr für ihn im Anzug sei. Nun, ihr wahren Moslemin, wer ist denn klüger gewesen, ihr oder ich? Hundert Kerle von Eurer Sorte bringen zwar genug Verschlagenheit und Bosheit, aber nicht so viel Weisheit und wahre Klugheit zusammen, wie ein einziger guter Christ. Ihr frommen Anhänger der heiligen Kadirine wollt mich bestehlen, verderben, töten. Ich aber verlache Euch. Ich habe gewußt, daß der Muza'bir kommen werde; ich habe mir die Brieftasche nehmen lassen, aber die drei Unterschriften vorher versteckt. Hier sind sie!“
Ich zog die Papiere hervor, hielt sie ihnen hin, steckte sie wieder ein und fuhr dann fort:
„Dort bei den Tabaksballen stand der Dieb; er fand die Papiere nicht und warf die Brieftasche fort, um zu entfliehen, als ich kam. Du, Raïs, hast sie eingesteckt; ich habe es gesehen. Gib sie heraus!“
„Ich habe sie nicht!“ knirschte der Mann.
„Nicht? Sieh dir einmal die Nase dieses Gespenstes Nummer Drei an! Willst du auch eine solche haben? Willst du meine Hand kennenlernen? Heraus, oder ich nehme sie dir!“
Ich trat drohend auf ihn zu. Er wich zurück, griff unter sein Gewand und rief höhnisch:
„Ich habe eine Brieftasche, ja; aber sie gehört nicht dir, sondern dem Nil. Da, schau!“
Er zog die Brieftasche hervor und wollte sie in das Wasser schleudern. Ich war darauf gefaßt gewesen – ein rascher Sprung auf den Kerl zu, ein Griff, und ich hatte sie in meiner Hand. Er stand einen Augenblick wie starr; dann ballte er die Fäuste und fuhr auf mich los. Ich hob den Fuß und stieß ihm denselben gegen den Unterleib, so daß er seitwärts taumelte und hinstürzte.
„O Allah, o Raïs, o Jammer, o Unglückseligkeit, o Niederlage!“ wehklagte der Steuermann, indem er zu seinem Vorgesetzten eilte,
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