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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich den drei Männern zu nähern. Da aber ertönte neben mir der laute Warnungsruf:
    „Der Effendi, der Effendi!“
    Es war der Steuermann, welcher diese Worte rief. Er war oben am Steuer gewesen, aus irgend einem Grund, den ich nicht kannte, kam eben die schmalen Stufen herab, welche neben meiner Kajüte hinaufführten, und hatte mich gesehen. Jetzt hatte ich die Gelegenheit, die bewundernswerte Geistesgegenwart des Taschendiebes zu beobachten. Der Ruf des Steuermannes sagte ihm, daß ich auf dem Deck sei. Ich mußte also erwacht sein und vielleicht gar meinen Verlust schon bemerkt haben. Nun gab es für ihn nur noch zweierlei, entweder mich zu ermorden und die Papiere dann doch noch zu finden, oder zu fliehen. Es schien ihm geraten, auf das erstere zu verzichten. Jedenfalls hatte er von dem Mokkadem genug über mich gehört, um anzunehmen, daß ein Angriff auf mich nicht ungefährlich sei. Also gab es nur das zweite, die Flucht; aber wegen etwaiger späterer Vorkommnisse mußte er vermeiden, mir hierbei sein Gesicht zu zeigen, damit ich ihn gegebenenfalls nicht wieder erkenne. Das mußten die Gedanken sein, welche in einem einzigen Augenblick durch seinen Kopf gingen. Jeder andere hätte sich infolge des Warnungsrufes nach mir umgesehen; auch der Raïs und der Diener blickten erschrocken nach hinten; der Gaukler aber drehte sich nicht um; ich hörte seine schnelle, halb unterdrückte, mir aber dennoch vernehmliche Frage:
    „Ist's der Hund wirklich?“
    „Jedenfalls!“ antwortete der Raïs.
    „So war's für dieses Mal umsonst!“
    Er warf meine Brieftasche weg, so daß die Papiere zerstreut umherflogen, schnellte sich wie eine Schlange nach dem Landungsbrett und verschwand im Dunkel des Abends, dessen Sterne jetzt allerdings schon zu leuchten begannen, doch nicht so sehr, daß ich den Flüchtenden mit dem Auge zu folgen vermocht hätte.
    Da er sich meiner Brieftasche entledigt hatte und ich dieselbe also wieder in meinen Besitz bringen konnte, so war mir sein Entkommen gar nicht unlieb. Was hätte ich, falls ich ihn ergriffen hätte, wie es in meiner Absicht lag, mit ihm tun sollen? Ihn dem Mudir von Gizeh, der hiesigen Polizei ausliefern? Welche Scherereien wären für mich dadurch entstanden! Oder ihn laufen lassen, nachdem ich ihm meine Meinung gesagt hatte? Nun, er war selber gegangen, und so war ich der Mühe, ihm meine Ansicht über ihn mitzuteilen, enthoben. Ich fragte also den Steuermann gar nicht etwa zornig, sondern im ruhigsten Ton:
    „Warum schreist du so? Soll man es in Kahira hören, daß ich hier bin?“
    „Verzeih, Effendi!“ antwortete er. „Ich war über dich erschrocken.“
    „Habe ich ein so entsetzliches Aussehen?“
    „Nein, nein; aber – aber – ich glaube, ich dachte –“, stotterte er.
    „Nun, was denn? Was dachtest du?“
    „Ich glaubte dich schlafend, und da – erschrak ich so!“
    „Gerade, als ob ich ein Gespenst sei, welches unerwartet erscheint?“
    „Ja, gerade so!“ meinte er, froh, eine Ausrede, wenn auch eine noch so schlechte, souffliert erhalten zu haben.
    „Das tut mir leid“, tröstete ich. „Ich hoffe aber, daß der Schreck, welchen ich dir verursacht habe, dir nicht schaden wird. Komm nach vorn zum Raïs!“
    Er ging mit. Während dieses kurzen Gespräches hatte ich die beiden anderen nicht aus dem Auge gelassen. Sie hatten sich gebückt, schnell meine Papiere zusammengelesen, dieselben in die Brieftasche gelegt, und dann war die letztere unter dem Gewand des Raïs verschwunden. Auch ich hatte etwas eingesteckt, nämlich den Revolver, der mir nun nicht mehr nötig zu sein schien, wenigstens in diesen ersten Augenblicken. Es war recht gut möglich, daß dem Taschendieb der Gedanke kam, unbemerkt, was gar nicht schwer war, zurückzukehren, und dann über mich herzufallen. Er hatte vielleicht nur in der ersten Überraschung das Spiel für heute aufgegeben. Er sollte die Papiere bringen; ich mußte sie bei mir haben, wenn nicht in der Brief- dann jedenfalls in einer anderen Tasche. Hatte er mich erstechen wollen, falls ich mich während des Diebstahls bewegte, nun, so schreckte er jedenfalls auch nicht davor zurück, mich, um zu seinem Ziel zu gelangen, nachträglich noch kalt zu machen. Es galt also, aufzupassen, ob er wiederkomme. Das war aber nur bei guter Beleuchtung möglich, und diese mußte sofort geschaffen werden, ohne langes Gerede, ohne Zeitversäumnis. Darum fragte ich den Raïs in ganz freundlichem Ton:
    „Hast du Fackeln an

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