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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hättest. Erlaube, daß ich dir deine Wohnung zeige, und ihr eilt jetzt zum Haushofmeister und holt die Gegenstände, welche dem Effendi gehören!“
    Dieser Befehl wurde den Trägern erteil, welche sich entfernten, um denselben auszuführen. Der Stallmeister geleitete mich durch mehrere Türen in ein großes, schönes Eckzimmer, dessen eine Tür in den Hof führte, durch welchen ich gekommen war. Er freute sich herzlich darüber, daß mir dieser Raum gefiel, und bat mich um Verzeihung, daß er sich für einige Augenblicke entfernen müsse, um für seinen Sohn zu sorgen.
    So hatte ich also doch im Palast ein Unterkommen gefunden und zwar bei einem Mann, welcher mir hundertmal sympathischer als der unförmliche Hausmeister war. Hätte ich diesen letzteren nur kurze Zeit früher oder später verlassen, so wäre ich nicht dem vom Pferd Gestürzten begegnet und hätte mir in der Stadt eine Wohnung suchen müssen.
    Mein Wirt kehrte sehr bald zurück. Er brachte, um mich zu ehren, mir die Pfeife und brannte sie mir auch selbst an. Dann kamen die Träger und brachten mir meine beiden Gewehre und mein anderes Eigentum. Der eine von ihnen berichtete mir:
    „Effendi, wir mußten dem Haushofmeister sagen, wo du dich befindest. Als er hörte, daß du ein berühmter Arzt bist, der eine Flasche des Lebens hat, bereute er, unaufmerksam gegen dich gewesen zu sein, und läßt dich ersuchen, ihn bei dir zu empfangen. Er ist sehr krank; unsere Ärzte haben ihm gesagt, daß er zerplatzen werde, und so meinte er, Allah habe dich gesandt als den einzigen, der ihm Hilfe bringen kann.“
    „Gut, sagt ihm, daß er kommen darf.“
    Es fiel mir nicht ein, dem dicken Schwarzen sein Verhalten nachzutragen und ihn jetzt abzuweisen; ich sagte mir vielmehr, daß seine entsetzliche Krankheit den Stoff zu einer keineswegs tragischen Unterhaltung liefern werde. Er ließ nicht lange auf sich warten. Fast fühlte ich Mitleid, als ich die zerknirschte Miene sah, mit welcher er sich mir näherte.
    „Effendi, verzeihe!“ bat er. „Hätte ich geahnt, daß du ein so –“
    „Sprich nicht weiter!“ unterbrach ich ihn. „Ich habe dir nichts zu verzeihen. Der Raïs Effendina ließ es an der schuldigen Höflichkeit mangeln; er war es, der den Fehler begangen hat.“
    „Du bist sehr gütig. Darf ich mich zu dir setzen?“
    „Ich bitte dich sogar, es zu tun.“
    Er nahm mir und dem Stallmeister gegenüber Platz. In dieser sitzenden Stellung sah man weit deutlicher als vorher, welch einen ungeheuren Umfang sein Körper hatte. Er war noch viel, viel beleibter als Murad Nassyr, mein dicker, türkischer Freund. Sein Atem ging beinahe röchelnd; seine Wangen glichen gefüllten Backentaschen, und sein Gesicht war – das sah man trotz der schwarzen Hautfarbe – so blutreich, daß anzunehmen war, ein Schlagfluß müsse seinem Leben ein Ende machen, wenn er nicht noch vorher an einer Verdauungsstörung sterben werde. Als er bemerkte, daß ich ihn so aufmerksam betrachtete, sagte er seufzend:
    „Du irrst, Effendi. Ich bin nicht so gesund wie du denkst. Man hält leider die Fetten stets für gesund.“
    „Ich nicht. Die Ärzte in Germanistan wissen recht wohl, daß der Mensch dem Tode desto näher steht, je fetter er ist.“
    „Allah schütze mich! Sage mir schnell, wie lange ich noch zu legen haben!“
    „Wann hast du zum letztenmal gegessen?“
    „Heute früh.“
    „Und wann wirst du wieder essen?“
    „Heute mittag, also in einer halben Stunde.“
    „Und was hast du heute früh genossen?“
    „Sehr wenig, nur ein Huhn und einen halben Hammelrücken.“
    „Was wirst du zum Mittag essen?“
    „Auch sehr wenig, nämlich die andere Hälfte des Hammelrückens, abermals ein gebratenes Huhn mit einem Häuflein Reis, nicht größer als ein Turban ist; dazu nur noch einen Fisch, vier Hände lang, und einen Teller mit Negerhirse, in Milch gekocht.“
    „So befürchte ich, daß du den heutigen Abend nicht erleben wirst!“
    „O Himmel, o Erde! Ist das dein Ernst?“
    „Ja, es ist mein vollständiger Ernst. Wenn ich nur den vierten Teil dessen, was du jetzt genannt hast, essen wollte, so würde ich fürchten, auseinanderzuplatzen.“
    „Ja, du! Dein Leib und mein Leib! In den meinigen geht ja sechsmal mehr als in den deinigen!“
    „O nein! Oder meinst du, daß unsere Leiber hohle Fässer sind? Du hast dich nicht nur dick, sondern auch krank gegessen. Ich höre, daß du an Magenschmerzen leidest?“
    „Man hat dich recht berichtet. Diese Schmerzen

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