2720 – Im Stern von Apsuma
Boden.
Vetris-Molaud deutete auf die Sitzmöbel, wartete, bis der Chef der Gläsernen Insel Platz genommen hatte, und setzte sich ihm gegenüber.
Beide Männer schwiegen.
Der Leiter des tefrodischen Geheimdienstes ließ den Blick kurz durch die Schaltzentrale des Hohen Tamrats gleiten. Der fünfeckige Raum mit fünfzehn Metern Seitenlänge war vier Meter hoch. Der Eingang befand sich in einem der Winkel, und der sechs mal zwei Meter große Arbeitstisch des Tamaron stand ihm an der Längsseite gegenüber. In den vier seitlichen Winkeln waren vertikale Aquarien untergebracht. Die drei Meter durchmessenden Zylinder reichten vom Boden bis zur Decke. In der trüben Flüssigkeit, die sie enthielten, trieben einige Technoskorpione des Tamaron.
Es war nur eine Spielerei von Vetris, sie in Aquarien zu halten. Sie benötigten diese Umgebung keineswegs, wie einige Skorpione bewiesen, die träge links und rechts vom Arbeitstisch ruhten. Nur eine spärliche Bewegung dann und wann verriet, dass sie nicht desaktiviert waren.
Shozdor musterte sein Gegenüber ausgiebig, dann ergriff er das Wort. »Die Lage ist klar. Luna hat das Solsystem verlassen. Die Drohung des Atopischen Tribunals ist also durchaus ernst zu nehmen.«
Vetris nahm die Nachricht anscheinend unbeteiligt hin. Nur jemand, der ihn so gut kannte wie Shozdor, bemerkte den kalten Zorn, der in ihm brodelte. »Ich habe die Schlacht vom 5. August nicht befohlen. Im Gegenteil, ich hatte äußerste Zurückhaltung angeordnet!«
Ein schwaches Lächeln umspielte das stets besorgte, aufmerksame Gesicht mit dem Dreitagebart um Kinn und Mund. »Man muss seinen Untergebenen vertrauen können und sollte sie deshalb mit Sorgfalt auswählen. Manchmal gelingt das, manchmal nicht.«
Vetris schien aufbrausen zu wollen, bekam sich aber rechtzeitig in den Griff. Er wusste, weshalb der Chef der Gläsernen Insel mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Es war keine Respektlosigkeit, ganz im Gegenteil.
Das Neue Tamanium war ein sehr junges Staatswesen und mindestens genauso Shozdors Kind wie das von Vetris-Molaud. Der 75 Jahre alte, hagere Geheimdienstmann und der Politiker waren nicht immer einer Meinung, aber Shozdor war dem Tamaron gegenüber loyal. Überdies verband die beiden eine gemeinsame Historie, über deren Hintergründe sie allerdings nicht sprachen. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
Shozdor will nur das Tamanium schützen, dachte Vetris, vor inneren wie äußeren Feinden. Dass er dazu hin und wieder drakonisch handeln muss, gefällt ihm nicht besonders, doch er sieht es als notwendig an. Wenn er sich einmal entschieden hat, kennt er keine Skrupel mehr und verfolgt rücksichtslos den eingeschlagenen Weg. Wenn es einen gibt, auf den ich mich verlassen kann, dann ihn.
»Was hast du herausgefunden?«, fragte er, noch immer um Fassung bemüht.
Einer der Skorpione schien zu bemerken, wie aufgebracht Vetris war, und hob drohend seinen Stachel.
Shozdor achtete nicht darauf. Er fuhr mit einer Hand durch sein kurzes, ergrautes Haar. »Die Gläserne Insel untersucht einige Positroniken der an der Schlacht beteiligten Schiffe. Offenbar hat es eine datentechnische Intervention gegeben.«
»Eine Manipulation?«
»Ja. Durch ein ausgeklügeltes Computervirus, das mit mindestens zwei Schichten arbeitet.«
»Wer hat manipuliert?«
»Das weiß ich noch nicht.« Shozdor nestelte an seinem ockerfarbenen Overall, über dem er eine ärmellose rote Weste mit einem Nackenwulst trug, in dem sich diverse Gerätschaften befanden, darunter ein Schutzschirmprojektor, ein Deflektor, ein Kommunikator und eine Miniaturpositronik. Ein Geheimdienstchef musste stets auf der Hut sein und sich zu schützen wissen. Sein erster Fehler konnte der letzte sein. »Aber natürlich spricht alles für die Terraner. Sie profitieren am meisten davon, wenn Luna aus dem Solsystem verschwindet.«
»Ich brauche Beweise.«
»Wirklich?« Shozdor zeigte wieder das schwache Lächeln. Es wirkte geduldig und fast väterlich. »Aber wie dem auch sei, wir müssen davon ausgehen, dass sich der Erdmond tatsächlich auf dem Weg ins Helitas-System befindet und 52.003 Lichtjahre überbrücken wird.«
»Wie der Onryone Ghonvar Toccepur es angekündigt hat. Der Mond soll am 1. September hier im Helitas-System eintreffen. Uns bleiben also knapp drei Wochen.«
»Was wirst du unternehmen?«
»Ich habe unseren Mondwerften bereits einen Auftrag erteilt. Sie sollen extrem großkalibrige Paratronwerfer produzieren, so
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