2726 - Totentanz
letzte Stückchen auf dem Weg der Selbsterkenntnis zu gehen.
Wie traurig.
Der Tod wartete auf ihn.
Also hielt er nach etwas anderem Ausschau; nach jemand anderem.
Er entdeckte Khaika, wo sie sich am liebsten aufhielt, seit Gador-Athinas und sein Begleiter Schechter das Kloster verlassen hatten.
Sie stand ganz in der Nähe der Klause, in der Gador-Athinas untergebracht gewesen war, der Mann, den sie liebte. Ihr Leben hatte einen neuen Sinn gefunden, und das durfte er als Abt nicht ignorieren. Sie durfte nicht mit ihm sterben, nicht gemeinsam mit allen Mönchen und Nonnen den letzten Weg antreten.
Soeben verabschiedete sie sich von dem Mann, der das Ende eingeläutet hatte. »Kehbi-Nisha« nannte er sich. Eine Lüge. Vigureis arbeitete eng genug mit dem innertefrodischen Widerstand zusammen, um zu wissen, wen er vor sich hatte: Dies war Uvan-Kollemy, Oc Shozdors Lieblingsagent, die Geheimwaffe Nummer eins des Geheimdienstchefs.
Die Gläserne Insel war dem Widerstand also auf der Spur. Sie witterte und kroch Schechter hinterher, dem Killer, auf dem sämtliche Hoffnung ruhte, dem Einzigen, der in Lage sein könnte, Tamaron Vetris zu ermorden. Und das musste geschehen! Um Tefors willen, um all der Mönche und Nonnen willen, die sich genau wie Vigureis im Griff der Technoskorpione selbst verloren hatten und seitdem unsicher durch die Welt irrten.
Ja, es gab keinen Zweifel: Die Tage des Vraz-Klosters waren gezählt, der Tod war zu ihnen getreten. Vigureis lächelte, denn dieser Tod würde mit ihnen untergehen.
Es gab eine gute Lösung für all die Mönche und Nonnen, die sich dem Abt anbefohlen und seiner Obhut unterstellt hatten.
Einen guten Weg.
Vigureis durfte nicht zulassen, dass seine Brüder und Schwestern noch einmal der Gläsernen Insel in die Hand fielen und sie sich erneut ihrer Nemesis in Gestalt der Skorpione gegenübersähen.
Den Zünder für diese Lösung hielt Vigureis in seiner Hand. Ein Druck, und es würde sich beweisen, dass es im angeblich völlig technikfreien Vraz-Kloster eben doch etwas Technologie gab. Die Explosion würde so stark sein und so plötzlich kommen, dass niemand auch nur das Geringste davon spürte. Ein einziger Moment, ein Lidschlag nur, – und alles endete.
Alles war besser, als wieder in die Gewalt der Skorpione und ihres Herrn zu fallen.
Vigureis atmete tief durch. Die Luft roch frisch. Sie schmeckte gut. Ein wenig Wehmut stieg in ihm auf.
Der Abt eilte Khaika hinterher. »Auf ein Wort!«, rief er ihr zu.
»Ja?« Sie drehte sich zu ihm um.
Als er ihr in die Augen sah, wusste er, dass es die richtige Entscheidung war, sie fortzuschicken. Jemanden, der liebte und geliebt wurde, erwartete noch so viel im Leben. Vielleicht fand die Gläserne Insel Khaikas Spur nie wieder.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Vigureis.
»Gern.« Khaika hob die Hand und flüsterte. Zum tausendsten Mal fragte sich der Abt, welche Geheimnisse dieser Kieselstein wohl schon gehört hatte.
»Komm mit mir!« Der Abt ging los, zu den Seitengebäuden, genauer zum Vorbau, der auf den Gässar-See wies.
Rundum trennte das Wasser sie von allem anderen Leben – eine Sicherheitszone sozusagen. Es war gut, denn so konnte die Explosion niemanden außerhalb in Mitleidenschaft ziehen. Andernfalls hätte Vigureis im Vorfeld das Kloster niemals vorsorglich vermint, als er sich dem Widerstand angeschlossen hatte.
Als er den Vorbau aufschloss, zeigte sich Khaika gespannt. »Ich bin noch nie hier gewesen.«
»Kaum jemand war je hier. Sieh doch her!«
»Ein Gleiter«, sagte die Nonne verblüfft. »Gehört er dem Kloster?«
Es war ein altes Modell. Ein uraltes. Der Techniker hatte bei der letzten Wartung vor mehr als zwei Jahren gemeint, es werde nur noch von Rost und gutem Willen zusammengehalten. Aber es stand für einen Moment wie diesen bereit.
»Es ist mein persönlicher Besitz«, erklärte Vigureis. »Du musst damit auf eine Reise gehen.«
»Wohin?«
»Ich programmiere den Autopiloten. Am Ziel wird dich jemand in Empfang nehmen.«
»Und wo liegt dieses Ziel?«
»Das wirst du bald sehen.«
»Was soll ich dort tun?«
»Auch das kann ich dir nicht sagen. Aber warte.« Vigureis griff nach Khaikas linker Hand und schaute die Nonne fragend an. Als sie nickte, hob der Abt die Faust mit dem Kieselstein vor seine Lippen und flüsterte etwas.
»Du hast ihm ein Geheimnis anvertraut«, sagte Khaika. Sie lächelte, und ihre Augen glänzten.
»Mein Vermächtnis. Vielleicht offenbart er es dir eines
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