2726 - Totentanz
würde es, wenn er könnte. Stattdessen starrte er die Uhr an. Die Zeit verging langsam an diesem Tag, und sie kroch von Stunde zu Stunde langsamer voran.
So war es zuletzt vor vielen Jahren gewesen, als seine Frau gestorben war. Als vor allem die Nächte nie hatten enden wollen, in dieser Dunkelheit, die sich auch durch sämtliche Lichter im Haus nicht vertreiben ließ. Als Gador-Athinas im Bett lag, der Körper müde, kaum mehr als ein Wrack, aber die Seele keinen Frieden fand. Meistens hatte er die Decke angestarrt; ein kleiner Riss war dort, und eine noch kleinere Spinne krabbelte hinein und wieder heraus, dreimal, viermal in der Nacht hinein und wieder heraus.
Nun krochen die Sekunden so langsam dahin wie damals, aber diesmal trug nicht die Trauer daran die Schuld, sondern die Nervosität. Die Angst davor, Teil einer zu großen Sache zu sein, weil dem Widerstand dies alles über den Kopf wuchs.
Vetris-Molaud sollte den Tod finden, genau in dem Moment, wenn er die Hand nach der Unsterblichkeit ausstreckte. Welch eine Symbolik, welch ein Sturz des Giganten, der sich binnen kürzester Zeit an die Spitze der Macht katapultiert hatte. Der Tamaron war aus dem Nichts gekommen, einer von vielen Millionen, und er war seinen Weg gegangen, bis er nicht mehr nur irgendein Tefroder war.
Vetris-Molaud war der Tefroder.
Aber er stand für ein Bild des tefrodischen Volkes, für eine Vision von Tefor und dem Tamanium, das schierem Größenwahn entsprang. Er wollte sein Volk an der Spitze der Galaxis sehen wie ...
»Gador-Athinas«, riss ihn eine Stimme aus den Gedanken. Sie kam so plötzlich, dass sein Herz wie rasend schlug, als er hochschreckte.
Es war nur ein Anruf per Funk, mehr nicht. Caus-Iver meldete sich, der Chefmediker des Tamanischen Heilkunsthauses Amshor und zugleich das ranghöchste Mitglied des Widerstands vor Ort. Er war einer der wenigen, die wussten, dass sich Gador-Athinas in diesem Raum in den Untergeschossen verkroch; außer ihm kannten nur Schechter und Kelen-Setre seinen aktuellen Aufenthaltsort.
»Gador-Athinas, bist du da?«
»Ich höre dich.« Das Was ist passiert?, das ihm auf der Zunge lag, verkniff er sich. Es klang so negativ. Er durfte nicht vom Schlimmsten ausgehen.
»Ich muss mit dir sprechen. Komm zu mir ins Büro.«
Nun sprach er es doch aus: »Was ist passiert?«
»Wir haben Besuch.«
Er hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht. »Was?«
Das war nicht gerade die intelligenteste aller möglichen Erwiderungen, aber die einzige, die ihm einfiel.
»Ich erwarte dich.« Caus-Iver brach den Funkkontakt ab.
Nur Sekunden später hastete Gador-Athinas aus seinem Raum. Er eilte durch den unterirdischen Korridor und betrat einen eigentlich dem Personal vorbehaltenen Antigravlift, zu dem er dank Caus-Ivers direkter Weisung stets Zutritt hatte. Darin fuhr er nach oben bis in die Spitze des Hauptbaus; auch das war nur dank der entsprechenden Erlaubnis des Chefmedikers möglich.
Dort angekommen, lag Caus-Ivers Büro nicht mehr weit entfernt. Noch ehe er sich bei der Positronik anmelden konnte, schwang die Tür auf.
Tatsächlich, sie hatten Besuch.
Und was für einen!
»Khaika!« Ihr Anblick kam so unerwartet, so plötzlich, dass er seine Gefühle nicht im Zaum halten konnte. Er glaubte es kaum, aber sie musste es sein – schon ihre extravagante und äußerst knappe Bekleidung bewies es. »Was ... Wie kommst du ...«
»Vigureis hat mich geschickt«, sagte die Vraz-Nonne. Sie blinzelte häufiger als sonst, und ihre linke Hand umklammerte den Kieselstein so fest, dass die Fingerspitzen weiß waren. Obwohl sie ihn kurz anlachte, spiegelte ihre Miene Traurigkeit wider. Und Entsetzen. »Aber erst jetzt, da ich dich sehe, weiß ich, warum. Caus-Iver hat mir nicht gesagt, wen er kontaktiert, als er sich zurückgezogen hat, um dich zu rufen.«
Gador-Athinas kam näher, berührte ihre Hand – die rechte natürlich.
»Ein Gleiter ist bei der Patientenaufnahme angekommen«, erklärte Caus-Iver, »doch die Positronik des altersschwachen Schrottbergs hat darauf bestanden, dass der transportierte Patient nur mir persönlich übergeben werden kann. So lange öffnete er sich nicht. Ich habe lange überlegt, ob ich das Spielchen mitspielen soll, und ich bin erst zu dem Gleiter gegangen, als eine Menge Scans bestätigt haben, dass darin kein Sprengstoff lagerte.«
»Wer sollte dich ...«, begann Gador-Athinas, brach aber ab. Eine dumme Frage. Natürlich gab es viele, die Caus-Iver mit einem
Weitere Kostenlose Bücher