2726 - Totentanz
unwahrscheinlich es klang, es würde vieles erklären.
Wie hatte der Schirm über der Plattform des Tamarons so schnell kollabieren können? Er musste manipuliert gewesen sein. Oc Shozdor wäre dazu in der Lage, und das war nur eines von vielen Beispielen.
Viele Mächtige hatten ihre Finger im Spiel ...
... aber das Spiel dieser Mächtigen setzte letztlich auf eine einzige Figur, davon war Uvan-Kollemy nach wie vor überzeugt: auf den Tomopaten Schechter. Und dass dieser bislang nicht in Erscheinung getreten war, bestätigte ihn nur in dieser Meinung.
Schechter wartete irgendwo.
Er lauerte.
Hier in dieser Klinik.
Das wahre Attentat stand erst bevor. Die Frage war nur, wo sich Schechter verbarg und wann er zuschlagen würde.
20.15 Uhr
Die Schwärze wich einem düsteren Zwielicht, und darin blitzte etwas Helligkeit auf. Der schwere Nebel über seinem Verstand und seinem Bewusstsein zog sich zurück.
Schechter erwachte, als das Mittel, das Caus-Iver ihm während der angeblichen Notoperation injiziert hatte, seine Wirkung verlor. Er stand auf, taumelte einige Schritte, wäre fast gestürzt.
Langsam, nur langsam!
Er durfte nichts überstürzen.
Vorsichtig ging er weiter, an den Bahren mit den Toten vorbei – ein Teil der Kollateralschäden dieses Tages, der nun seinem Finale entgegenstrebte. Genau wie mit Caus-Iver abgesprochen, fand Schechter im Fach mit der Nummer 19/82 nicht nur eine Leiche, sondern auch eine Injektionsdüse.
Der Tomopat verabreichte sich das Mittel, und die Schwäche verschwand endgültig aus seinem Körper. Das Medikament neutralisierte die letzten Reste der schädlichen Substanz in ihm. Schechters Geist klärte sich. Seine angeblich so schwere Verletzung war nur eine Lappalie.
Gut.
Er holte die Leiche aus 19/82, griff in das Fach und nahm den Medikerkittel heraus. Er wechselte die Kleidung, stopfte seine Uniform und die Biomolmaske des alten Ghunras-Ghud in das Fach und schob den Toten wieder hinein.
Nichts unterschied ihn nun von einem der zahllosen Mediker, die aktuell im THH unterwegs waren. Seine Maskerade konnte wohl keiner eingehenden Überprüfung standhalten, aber das war auch nicht notwendig; es kam nur auf den flüchtigen, ersten optischen Eindruck an.
So würde er bis in Vetris' Nähe gelangen. Nicht bis in sein Patientenzimmer, trotz der nur notdürftigen Sicherheitsvorkehrungen ... Auf den letzten Metern mussten seine Arme die Arbeit für ihn erledigen.
Schechter überprüfte den Sitz des Ghyrd. Alles bestens, er konnte ihn mit einer einzigen Bewegung der künstlichen Arme lösen.
Der Tomopat machte sich auf den Weg.
20.20 Uhr
Uvan-Kollemy hielt den Spiegel an die energetische Trennwand, die den Korridor versperrte. Die Suchalgorithmen fanden den stundenaktuellen Kode, als er sich in den Rechner der Gläsernen Insel einwählte. Zwar handelte es sich um THH-eigene Technologie, aber selbstverständlich koordinierte der Geheimdienst inzwischen alles.
Eine Strukturlücke bildete sich, Uvan-Kollemy schlüpfte hindurch. Erst danach wurde ein Wachtposten auf ihn aufmerksam – Franrid Golam, wenn sich Uvan-Kollemy nicht täuschte. »Uvan? Was tust du hier? Wir ...«
Du bist viel zu langsam, dachte Uvan-Kollemy. Wäre er Schechter gewesen, wäre Franrid längst tot.
»Tut mir leid«, sagte er und hämmerte dem Kollegen eine Handkante seitlich gegen den Hals. Der andere sackte ohnmächtig zusammen.
Es zählte nur eines: Er musste näher an Vetris herankommen, um ihn vor dem Tomopaten zu beschützen. Er durfte niemandem mehr vertrauen. Franrid Golam nicht, Oc Shozdor nicht, niemandem. Nur noch dem Tamaron persönlich.
20.23 Uhr
Schechter stand vor der energetischen Trennwand, die den Korridor versperrte. THH-eigene Technologie, die kein Hindernis für jemanden bildete, dem der Chefmediker der Klinik höchstpersönlich den Weg geebnet hatte. Die Überwachungseinrichtungen erkannten den Tomopaten und schalteten ihm eine Strukturlücke. Schechter rechnete damit, dass in wenigen Minuten Alarm bei der Gläsernen Insel ausgelöst würde, die die Anlage zweifellos überwachte.
Hinter dem Schirm fand er einen ohnmächtigen Agenten. Wer immer ihn niedergeschlagen haben mochte, er hatte diesem Mann damit das Leben gerettet. Dennoch versetzte der Anblick Schechter in höchste Alarmbereitschaft.
Etwas ging hier vor.
Er war nicht mehr allein.
Schechter löste den Ghyrd und stürmte los.
20.24 Uhr
Uvan-Kollemy kam nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher