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273 - Die Wandlung

273 - Die Wandlung

Titel: 273 - Die Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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Ludmeela vielleicht auch. Die beiden trennten sich selten. Stammten die Spuren im Schlamm von ihr?
    Er erreichte das Ende des Abhangs. Unter ihm erstreckte sich ein kleinerer Bergsee, der wie ein schwarzer Spiegel im Zwielicht lag. Nadelbäume umgaben ihn und verströmten einen harzigen Geruch.
    Er wurde langsamer, als er den Gerfalken erneut entdeckte. Der Vogel flog eben hernieder, zu seiner Besitzerin.
    Lautlos tauchte Grao hinter eine Tanne und betrachtete die junge Frau, die zwischen den moosbedeckten Steinen einer Ruine stand. Einst musste an diesem See ein kleines Haus gestanden haben - vermutlich noch vor der Zeit der Wandlerankunft. Nun waren nur noch moosbewachsene Steine zu erkennen, anhand derer er ein Fundament ausmachen konnte.
    Der Gerfalke setzte sich auf den erhobenen Armstumpf Ludmeelas. In der Stille der Nacht hörte Grao ihre Stimme.
    »Kora, mein Herz, was ist geschehen?«
    Grao schlich noch näher heran. Er sah, dass Ludmeela den Kopf ebenso wie die Gerfalkin leicht schief gelegt hatte. Es wirkte, als wolle die Frau das Tier spiegeln.
    Ludmeela verharrte eine Weile, dann stieß sie zischend die Luft aus. »Aruula? Nicht Tumaara? Aber Tumaara ging doch vorneweg und sie greifen immer den Erstbesten an…«
    Sprach Ludmeela etwa von dem Izeekepirangriff auf die Reisegruppe? Grao begriff noch immer nicht, was Ludmeela an diesem Ort zu suchen hatte. Er erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht - Ludmeela wirkte schuldbewusst, aber auch zornig.
    »Ich habe nicht die anderen in Gefahr bringen wollen, Kora«, flüsterte sie. »Nicht Aruula und mein Volk. Nur Tumaara. Sie muss sterben!«
    Der Gerfalke stieß einen durchdringenden Ruf aus, der Graos heißes Blut kochen ließ. Er begriff, was vor sich ging: Ludmeela hatte Tumaara in eine Falle locken wollen. Sie hatte die Gruppe auf einen Weg geschickt, von dem sie über ihre Gerfalkin wusste, dass dort Izeekepirs lauerten.
    Bahafaa. Die Hitze fühlte sich unerträglich an. Sie versengte ihn. Bahafaa ist in Gefahr.
    ***
    15 Jahre zuvor
    Ludmeela schrie, als der Schatten der Eisbestie über sie fiel. Sie versuchte auf dem rutschigen Schnee fortzukriechen, hin zu der nahen Brabeelenhecke, obwohl sie wusste, dass ihr die Sträucher keinen Schutz bieten konnten. Über ihr ragte der Izeekepir auf. Sein Fell war schmutziggelb, die bösartigen roten Augen fixierten sie. Ludmeelas Kinderkörper zitterte. Wo war Tumaara?
    Der Izeekepir stürzte sich auf sie. Sein mächtiger Kopf ruckte vor. Messerscharfe Zähne, von denen Speichel tropfte, zuckten auf ihr Gesicht zu. Heißer Verwesungsgeruch nach Aas und Tod schlug ihr entgegen. Ludmeela riss ihre Hände hoch. Ihre Welt ertrank in rotem Schmerz.
    Meine Hand! Ludmeelas Schreie wurden zu einem Kreischen. Sie starrte den Stumpf an und begriff nicht. Blut schoss hervor. Blut lag um das Maul des Izeekepirs und glänzte in seinem schmutzig weißen Fell. Ihr Blut.
    Der Izeekepir mahlte mit den Zähnen. Er richtete sich auf die Hinterbeine und sah zu ihr herab. Sie würde sterben. Kraftlos sank sie in den Schnee, ihre Kappe fiel zu Boden.
    Hilfe! Der Gedanke war ein geistiger Schrei.
    Doch es gab keine Rettung. Es war vorbei.
    Der Izeekepir stürzte vor. Ludmeela wartete auf den neuen Schmerz, der den an ihrem Arm übertreffen würde. Aber er blieb aus.
    Stattdessen war da ein fremdartiger Schrei, der nicht von ihr kam. Plötzlich war ihr, als könne sie ein Bild vor Augen sehen, das sie beruhigte. Es wurde begleitet von einer fernen Stimme, die gleichzeitig mit dem Schrei gesprochen hatte: »Halte durch.«
    Mit großen Augen starrte Ludmeela auf den zurückweichenden Izeekepir. Die Bestie brüllte und schlug mit den Vordertatzen in der Luft. Dann erst sah sie den Gerfalken, der den Izeekepir angegriffen haben musste. Es war ein weißes Tier und das stolzeste, was sie je erblickt hatte.
    Der Gerfalke flog einen eleganten Kreis und stürzte sich dann erneut hinab, genau in das Gesicht des Izeekepirs, zwischen den um sich schlagenden Pranken hindurch und schneller als jeder Gedanke. Der Schnabel erwischte die Bestie knapp oberhalb des linken Auges.
    Ludmeela löste sich aus ihrer Erstarrung. Sie riss sich den Gürtel vom Leib und zerrte ihn mit tauben Fingern um ihren blutenden Armstumpf. Sie hatte schon solche Verletzungen gesehen und sie durfte nicht darüber nachdenken, dass es ihr eigener Arm war, der da blutete.
    Benommen kam sie auf die Beine und torkelte davon. Hinter sich hörte sie den Izeekepir brüllen. Es war ein

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