273 - Die Wandlung
gute Stunde später erreichten sie den Weiler unterhalb des Gletschers. Aruulas Augen strahlten, als sie dem kleinen Gehöft entgegen gingen. Die Palisade bestand aus dicken Baumstämmen und das Tor wurde von einem mürrisch dreinblickenden Mann für sie geöffnet, nachdem er Dykestraa und Arjeela erkannt hatte. Seine grauen Haare hingen ihm bis zur Brust. Matt erschien er wie ein Wikinger aus einem Film.
»Was macht ihr denn hier?«, brummte er statt einer Begrüßung und sah einen nach dem anderen böse an. »Hat euch wohl keiner gesagt, dass die Izeekepirs wie irre sind zurzeit?«
Dykestraa schlug dem Älteren so heftig auf die Schulter, dass er in den Knien einsackte. »Kartuum, alter Nörgelmeister, wie geht es dir?«
Matt hielt sich im Hintergrund, während Dykestraa die Gruppe vorstellte. Er behielt lieber die Umgebung im Auge. Seine Hand lag auf dem Drillerholster.
»Na, dann kommt mal mit«, sagte Kartuum eine Spur freundlicher. Arjeela ging mit wogendem Busen an seiner Seite und schien seine Laune damit erheblich aufzuhellen. Seine Blicke wanderten immer wieder zu der Oberweite der jungen Kriegerin.
Sie kamen in einen Innenhof voll blühender Orchideen und waren innerhalb kürzester Zeit von Männern und Frauen umringt. Besonders die Schwestern begrüßten Aruula überschwänglich, und auch Matt wurde freundlich empfangen.
Er lud sein Gepäck auf einer hölzernen Bank ab und betrachtete einen steinernen Brunnen, der an einer Seite von Orchideen umrankt wurde. Dabei erinnerte er sich, dass in seiner Zeit die Inseln Gotland und Öland für ihre zahlreichen Orchideenarten berühmt gewesen waren.
Aufmerksam betrachtete er die hölzernen Balken der langgezogenen, spitzgiebeligen Häuser. Sie waren mit eindrucksvollen Schnitzereien versehen. Matt erkannte einige Symbole aus Wudans Götterwelt. Der ganze Ort strahlte Frieden und Ruhe aus, und er konnte verstehen, warum die alte Muhme zum Sterben hierher gekommen war.
Aruula trat zu ihm. »Brabuura möchte uns sofort empfangen. Kommst du mit?«
Er lächelte und nahm ihre Hand. »So lange muss das Essen wohl noch warten.«
Es roch nach gebratener Wisaau. Er hatte schon allein bei der Vorstellung, in das saftige Fleisch zu beißen, ein knurriges Gefühl im Magen.
Aruula ging voran und er folgte ihr und dem alten Kartuum in eines der Gebäude hinein. Im Inneren roch es nach altem Fett und frischen Kräutern. Matt musste sich bücken, um durch die niedrige Tür in einen großen Wohnraum zu treten. Die Muhme lag in einem durch Tücher abgehängten Bereich. Kartuum schob die Tücher zur Seite und trat auf das Bett zu.
»Buura, dein Jänta, das du unbedingt sehen wolltest, ist gekommen.«
Ein Zittern lief durch die Felldecken des Lagers. »Aruula?«, fragte eine altersschwache Stimme.
»Ich bin da.« Aruula trat rasch an das Kopfende.
Die Alte streckte die Hand suchend aus und Aruula griff danach. Der Körper der Frau versteifte sich. Sie schwieg, hielt die Hand Aruulas aber fest umklammert. Matt sah die zahlreichen Falten in dem alten Gesicht. Es wirkte entrückt und gleichzeitig starr, als sei die Alte eben in dem Moment gestorben, da Aruula sie berührte.
»Brabuura?«, fragte Aruula verunsichert.
Kartuum trat zurück und tätschelte Aruulas Schulter. »Lass ihr einen Moment. Sie schaut in die Welt der Andaar(Schwedisch: Geister (Andar))«, raunte er in ihr Ohr. Damit verließ er die Hütte. Matt und Aruula blieben mit der alten Frau allein.
Für mehrere Minuten war nichts zu hören als das Knacken des Holzes im Feuer unter dem Rauchabzug. Matt fand es unerträglich heiß in der Hütte. Vermutlich heizte man den Raum für die kranke Frau ein, denn der Sommertag war angenehm warm.
Als er schon glaubte, die Alte sei eingeschlafen, hörte er eine brüchige Stimme.
»Weit bist du gereist, mein Jänta. Und dein Elnak ist dir nah. Deine Mutter wäre stolz auf dich.«
»Danke, Brabuura.«
Matt sah Aruula um Fassung ringen. Er trat zu ihr und berührte ihre Schulter.
Die Alte zuckte zusammen. »Wer ist da noch?«
»Maddrax. Aruulas Begleiter«, sagte Matt und ergriff die Hand, die die Alte nach ihm ausstreckte.
Ein zahnloses Lächeln erschien auf dem faltigen Gesicht. »Du bist wie ein zweiter Elnak für mein Jänta. Pass gut auf Aruula auf, wenn ihr weiterreist. Und Weiterreisen müsst ihr schnell.« Wieder lief ein Zittern durch die Decken, das dieses Mal gar nicht mehr abklingen wollte.
Matt sah Aruula verwundert an. Sie wirkte besorgt. Auf ihrer
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