276 - Die Genesis des Arthur Crow
irgendwann einmal nicht traurig gewesen zu sein.
Während die fallenden Flocken auf seinen Nerven herumtrommelten, stapfte er missmutig durch den Schnee. Der Weg war nicht weit. Und wenn er in der Hütte war, würde er sich sofort ins Bett legen und die Decken über sich ziehen. Er wollte nichts mehr hören und nichts mehr sehen. Wollte nicht mal mehr essen.
Manchmal aß er absichtlich nichts. Und er hielt es lange aus ohne feste Nahrung. Das war auch eins seiner Kunststückchen - aber das machte er nur für sich allein. Er liebte den Klang seines Magens, wenn es tief da drin rumorte.
Schöner klang nichts auf der Welt.
Er lachte heiser. Ging schneller.
Ein paar Schritte noch, dann war er auf der Anhöhe und würde die paar Häuschen sehen; die einzigen, die er kannte.
Aber plötzlich blieb er stehen.
Der Lärm des Schnees schien plötzlich von ihm abzurücken, obwohl die Flocken immer noch fielen. Aber da war auch ein Duft .
Milos kannte sämtliche Düfte der Umgebung. Zumindest hatte er das geglaubt, bis zu diesem Moment.
Der hier war neu .
Nach was roch er? Woher kam er?
Milos drehte sich ganz langsam um seine Achse.
Der Boden unter seinen Füßen erzitterte. Die Beben wurden stärker, dazu kam ein Geräusch, das mühelos den Schneefall übertönte.
Milos hatte keine Mühe, die Richtung, aus der Duft und Krach kamen, auszuloten.
Jemand lief dort in der Ferne. Noch war er ganz klein, weil er so weit weg war. Und weil das Einzige an Milos, das wirklich furchtbar schlecht funktionierte, seine Augen waren. Wo immer er hinschaute, alles wirkte seltsam verzerrt. Niemand sah Dinge oder Menschen wie er. Er hatte sich daran gewöhnt. Aber die anderen lachten, wenn er ihnen sagte, was er sah. Lachten ihn aus. Immer.
Nich nett.
Er wünschte, sie wären fort.
Alle!
Der Kerl kam näher. Es war ein Kerl, keine Frau. Ein Erwachsener. Bah!
Milos schniefte, zog die Nase hoch… und rotzte in den Schnee. Der gelbe Fleck war hübscher als alles andere in der Umgebung. Milos betrachtete ihn, während das Stampfen immer lauter wurde. Dann verstummte es.
Als er wieder aufsah, stand der Fremde vor ihm. Der Duft war berauschend .
»Hey, wer bist'n du?«, fragte Milos.
Da war er schon süchtig.
***
Kroow sah das Menschenjunge bereits aus großer Entfernung. Das Kleine verhielt sich seltsam. Es hatte Schnee aufgehäuft und eine Gruppe von Figuren daraus erschaffen. Es bewegte sich von einer zur anderen und redete, wie die Mundbewegungen erahnen ließen, auf sie ein, als wären sie lebendig und könnten ihn verstehen. Manchmal verzog sich sein Gesicht zu einem übertriebenen Lachen, dann zu Grimassen, die seinen Ärger zum Ausdruck zu bringen schienen. Und dann fing es an, die Figuren zu zerstören. Es ließ keine einzige heil. Selbstgefällig betrachtete es anschließend sein Werk.
Kroow rätselte über das Verhalten, während er näher und näher kam. Es fing an zu schneien. Der Schnee änderte die Körpersprache des Menschenjungen dramatisch.
Was war das? Angst? Panik?
Oder hatte es ihn entdeckt?
Noch nicht , entschied Kroow. Es war der Schnee. Irgendetwas an den fallenden Flocken machte das Junge ganz verrückt. Es fing an, auf eine Anhöhe zuzulaufen.
Kroow beschleunigte sein eigenes Tempo mühelos. Seit er den Flächenräumer hinter sich gelassen hatte, wuchs seine Körperbeherrschung beinahe im Takt seiner Schritte. Er hatte in keinen Spiegel gesehen, aber er glaubte, auch die Modulation seiner bionetisch-organischen Hybridhülle weiter verfeinert zu haben. Als Vorlage diente ihm der Mann, mit dem er auf so ungeheuerliche Weise verschmolzen war.
Arthur Crow.
Der nicht mehr existierte.
Obwohl… Kroow lauschte in sich. Ihm war, als hätte er gerade ein wahnsinniges Gelächter gehört, wie aus weiter Ferne. Aber jetzt war alles still. Er musste sich getäuscht haben.
Das Junge… er konzentrierte sich auf das Junge, das stehengeblieben war und keine Anstalten machte, vor ihm zu fliehen. Auch empfand es jetzt offenbar keine Angst mehr, im Gegenteil. Kroow las etwas in Gesicht und Augen, das er zu deuten wusste, auch wenn ihm nicht klar war, worauf genau es sich bezog.
Entzücken.
Das Menschenjunge starrte ihn baff vor Entzücken an.
Und dann fragte es: »Hey, wer bist'n du?«
Kroow verstand das Junge problemlos. Es bediente sich derselben Sprache, die Lityi, eine seiner letzten Gesellschafterinnen, benutzt hatte.
Allerdings hatte Kroow in seiner jetzigen Inkarnation noch nie versucht,
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