277 - Xij
hatten die Menschen zuerst all das verbrannt, was man nicht erst aus den Wäldern holen musste.
Dass der Tempel Gottes nun ein Barbarenquartier war, tat den im Untergrund operierenden Kristianern nicht weh: Obwohl sie kaum wussten, worauf ihr Glaube an Kristian basierte, hatten sie sich ihre sanftmütige Einstellung erhalten.
Dass Duncayn und seine Leute eine Gottheit anbeteten, konnte Matt sich kaum vorstellen. Die Kerle, die sich im halbdunklen Schiff der Tschörtsch zwischen Brenn- und Bauholzstapeln, Fässern voller Pökelfleisch, Getreidesäcken und Beutestücken aller Art auf Strohlagern fläzten oder auf Hockern saßen und mit abgewetzten Karten spielten, sahen grob, unstet, finster und wenig Vertrauen erweckend aus. Wer an ihnen vorbeiging, wurde spontan als potentieller Gegner taxiert. Aruulas luftige Bekleidung erweckte das besondere Interesse der Halunken: Pfiffe wurden hörbar. Auch die eine oder andere eindeutige Bemerkung fiel.
»Hört besser nicht hin«, raunte Axya, die sie ans Ende des Saals führte, wo ihr Vater auf einem geschnitzten Stuhl saß und sich von einer drallen Maid mit Trauben füttern ließ.
»Unser erstes Zusammentreffen war ja nicht sehr ergiebig«, meinte Duncayn. »Nun ja, bis auf die Anzahl an Toten.« Er lachte über seinen eigenen Scherz, wurde aber schnell wieder ernst und fixierte sie aus schmalen Augen. »Fangen wir also noch einmal von vorne an, so wie es mir«, ein kurzer Blick zu Axya, »meine Tochter geraten hat.« Er richtete sich im Stuhl auf und verscheuchte die Maid, die zuerst einen Schmollmund machte, dann aber mit Dopee hinter einem mannshohen Stapel hölzerner Kisten verschwand. »Woher kommt ihr? Was seid ihr für Forscher? Und was wollt ihr hier?«
»Wir kommen vom Kontinent«, sagte Matt vage. »Ich erforsche die Sitten und Gebräuche fremder Völker. Aruula ist meine Leibwächterin.«
»Leibwächterin?« Duncayn schnaubte. »Bist du etwa nicht Manns genug, deine Haut selbst zu verteidigen?« Dann fiel ihm wohl ein, dass Matt es schon bewiesen hatte, deswegen winkte er ab. »War nur ein Scherz.«
»Schon okay.« Matt grinste. »Auch dient sie mir als Dolmetscherin und Beraterin. Und sie stopft meine Sachen, wenn - autsch!« Ein gemeiner Tritt von hinten hatte seine Wade getroffen. Duncayn übersah es geflissentlich.
»Meine Tochter Axya ist auch sehr gebildet und berät mich hin und wieder«, sagte er mit dem Stolz eines Vaters in der Stimme. »Ich habe sie von unserem Schriftgelehrten von klein auf unterrichten lassen.«
»Du sollst nicht mit mir protzen, Vater«, sagte Axya verlegen. »Wenn du so redest, habe ich immer das Gefühl, du preist mich einem künftigen Gatten an.«
»Nun…« Duncayn lächelte verschmitzt. »Du bist nun schon zwanzig Jahre alt, mein Kind! In deinem Alter war ich längst gebunden! Du solltest dich wirklich bald nach einem Gatten umsehen.« Er schaute sich um. »Wo ist eigentlich Dopee?«
Axya legte blitzschnell einen Arm um Xijs Taille. »Nach Dopee gelüstet es mich nicht, Vater. So gut er auch mit der Klinge ist - er ist und bleibt ein blöder Hund und ist auch nicht sehr ansehnlich.«
»Wenn Schönheit eine Rolle spielen würde«, versetzte ihr Vater, »wärst du jetzt nicht am Leben, denn dann hätte deine Mutter mich nie genommen.«
Axya zog Xij noch fester an sich. »Wenn du gestattest, suche ich mir meinen Gatten selbst aus - nachdem ich alle ausprobiert habe, die mir gefallen.« Sie beugte sich zu Xij hinüber, der nun recht verlegen wirkte, und küsste ihn auf die Wange.
»Ich will ja nicht bestreiten, dass der Bursche einen gewissen Liebreiz ausstrahlt«, sagte Duncayn. »Aber glaubst du nicht, er ist ein bisschen jung - und schmal?«
»Er wächst noch, Vater.« Axya tätschelte Xijs Po. Dann ließ sie ihn los. »Ich werde unseren Gästen jetzt ein Quartier zuweisen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Nur zu.« Duncayn nickte. Dann schrie er nach Dopee, der, als Axya mit Matt, Aruula und Xij im Schlepptau durch eine Tür verschwand, mit rotem Kopf hinter den Kisten auftauchte - ohne die Maid.
Der Raum, in den Axya die Neuankömmlinge führte, war spartanisch eingerichtet. Matts inzwischen ziemlich müder Blick erhaschte einige Strohlager, Decken und Hocker. In eine Wand waren Eisenringe eingelassen, in denen Fackeln steckten. Axya zündete sie mit einem Schwefelholz an. Durch ein vergittertes Fensterchen hörte man das Heulen des Sturms. Feuchte Luft drang herein, aber kalt war es nicht.
»Ich lasse euch was
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