28 - Im Lande des Mahdi II
Als wir nun wie Schaustücke an der Mauer lehnten, stellte sich der Sangak vor mich hin und sagte schließlich, nachdem er, wie um sich zur Rache anzuspornen, alles, was er von mir gehört hatte, der Reihe nach, wie es geschehen war, aufgezählt hatte:
„Und was wolltest du jetzt bei mir? Du bist doch jedenfalls nicht ohne Absicht zu mir gekommen?“
„Allerdings nicht.“
„So antworte! Was führtest du gegen mich im Schilde?“
„Vielleicht sage ich es dir nachher, jetzt aber noch nicht.“
Da wandte er sich an den Mokkadem und den Muza'bir.
„Dieser verfluchteste der Giaurs ist noch viel schlimmer und gefährlicher, als ihr ihn mir beschrieben habt. Denkt euch nur, er kam vorhin zu mir, nannte sich Iskander Patras und gab sich für den Dolmetscher der Seribah Aliab aus. Er brachte mir einen Brief, den er wahrscheinlich selbst geschrieben hat, und nun frage ich euch, welche Absicht er dabei wohl gehabt haben mag!“
„Eine schlimme jedenfalls“, antwortete der Mokkadem. „Wenn er es dir nicht sagen will, so laß ihn prügeln, bis er vor Schmerzen gesteht.“
„Das werde ich allerdings tun, und zwar sofort.“
„Dann lieferst du ihn uns aus. Wir bringen ihn zu Ibn Asl, wo ihn das Schicksal ereilen wird, welches ihm schon wiederholt vorhergesagt worden ist.“
„Ja“, fiel ich ein. „Es sollen mir alle Glieder einzeln vom Leibe gerissen werden. Aber damit hat es noch gute Weile. Um zu erfahren, was ich bei dir wollte, o Sangak, brauchst du mich nicht peitschen zu lassen. Du hast ja gehört, daß ich es dir sagen will. Ich kam zu dir, um dich zu warnen vor Ibn Asl und seinen Leuten.“
„Welch eine Warnung!“ lachte er höhnisch auf. „Bist du toll?“
„Dann müßte der Mudir es auch sein, denn er ist es, der mich zu dir geschickt hat.“
„Der? Lüge, dreifache Lüge!“
„Frage Ben Nil, meinen Begleiter! Wir wohnen bei dem Mudir, und er hat mich zu dir geschickt, um von Ibn Asl mit dir zu reden.“
Ich sah, daß er erschrak, denn er veränderte die Farbe.
„Hund, sage die Wahrheit!“ gebot er Ben Nil. „Wo wohnt ihr?“
„Beim Mudir“, antwortete der Genannte.
„Hat er von mir gesprochen?“
„Ja, wie mein Effendi bereits gesagt hat.“
„Ihr habt euch besprochen; ihr lügt!“
„Denke, was du willst; ich aber will die Reihe meiner Taten, welche du vorhin aufzähltest, um noch eine verlängern. Du wirst von Ibn Asl erfahren haben, daß er Amr el Makaschef, den Häuptling der Baqquara, in die Wüste gesandt hat. Ich habe den Häuptling ergriffen und mit nach Faschodah gebracht, um ihn dem Mudir zu übergeben. Das ist geschehen, ehe ich zu dir kam. Der Scheik steckt nun im Gefängnis und wird seine berühmten ‚fünfhundert‘ erhalten, wenn ihm nicht noch Schlimmeres bevorsteht.“
„Mensch, was tust du uns für Schaden! Ich möchte dich zermalmen!“
„Das wirst du bleiben lassen, denn wenn ich nicht bis Mitternacht zum Mudir zurückgekehrt bin, wirst du eingesperrt. Darauf kannst du dich verlassen.“
„Glaube ich nicht! Er lügt, um sich zu retten!“ warnte ihn der Mokkadem.
„Ich werde binnen weniger Minuten wissen, woran ich bin.“
Bei diesen Worten ging der Sangak hinaus. Als er zurückkam, zog er sich mit dem Mokkadem und dem Muza'bir in die entfernteste Ecke zurück, wo sie leise, aber äußerst lebhaft miteinander verhandelten. Dies dauerte so lange, bis ein Arnaut eintrat.
„Nun?“ fragte ihn der Sangak laut.
„Der Scheik der Baqquara steckt an Ketten im Gefängnis. Ich habe ihn gesehen“, meldete der Mann.
„Legt die Gefangenen wieder nieder, und packt euch dann alle hinaus!“
Wir wurden wieder glatt auf den Boden gelegt. Die drei standen in der Ecke und stritten sich. Wir konnten zwar nichts verstehen, sahen aber ihre äußerst lebhaften Gesten und Gebärden. Endlich gingen auch sie hinaus. Vorher aber trat der Sangak zu mir und sagte:
„Das hast du sehr fein angelegt, aber es soll dir doch nichts helfen. Wir sehen uns niemals wieder. Der Scheïtan fresse euch, ihr Hunde!“
Er spuckte uns an und ging. Wir lagen für kurze Zeit allein in dem Zimmer. Was sollte ich tun? Meinen braven Ben Nil dafür, daß ihn die Sorge um mich zu einer Dummheit getrieben hatte, Vorwürfe machen? Das fiel mir nicht ein. Ich hätte übrigens dadurch unsere Lage nicht zu ändern vermocht. Er fing selbst davon an, indem er in gepreßtem Ton sagte:
„Effendi, ich habe eine große Unvorsichtigkeit begangen, die du mir unmöglich verzeihen kannst. Gieße
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