28 - Im Lande des Mahdi II
geschlagen, an welche man uns festband, eine Vorsicht, die gar nicht überflüssig war, denn falls es uns gelang, uns unserer Fesseln zu entledigen, brauchten wir nur die Matte, welche die Decke bildete, emporzuheben, um über Bord kommen zu können.
Als wir in dieser Weise befestigt waren, sagte Murad Nassyr:
„Jetzt könnt ihr euch nicht rühren. Nun versucht doch einmal, mir zu entfliehen! Ibn Asl kommt jedenfalls bis Nachmittag zurück; dann wird euer Schicksal entschieden. Ich wohne gleich nebenan und kann jedes eurer Worte hören. Vernehme ich das geringste, was mir nicht gefällt, so erhaltet ihr die Peitsche. Jetzt gebe euch Allah eine angenehme Ruhe und noch angenehmere Träume!“
Er sprach diesen Wunsch in höhnischem Ton aus und entfernte sich dann mit seinen Leuten. Wir sahen das Licht durch die dünne Leinwand scheinen und seinen Schatten sich an derselben bewegen. Dadurch wurde uns verraten, was er tat. Er hob die Seitenleinwand auf und verschwand hinter derselben. Dann hörten wir flüstern und erkannten seine und die Stimme eines weiblichen Wesens, welches, wie ich vermutet hatte und dann bald erfuhr, seine Schwester war.
Bald darauf kam er in sein Gemach zurück und setzte sich nieder. Nach abermals einem Weilchen zeichnete sich ein weiblicher Schatten an der Leinwand ab. Die Schwester war zu ihm getreten. Sie flüsterten miteinander, dann stand er auf und ging mit ihr hinaus auf das Deck.
Kaum war dies geschehen, so wurde wieder eine weibliche Gestalt sichtbar, welche aus der Seitenabteilung trat. Sie näherte sich der Leinwand, hinter welcher wir lagen, hob dieselbe ein wenig empor und sagte leise:
„Effendi, wo bist du?“
„Hier!“ antwortete ich. „Wer bist du?“
„Ich bin Fatma, die du kennst.“
Also Fatma, die Lieblingsdienerin der Schwester des Türken! In welcher Absicht kam sie? Jedenfalls in keiner schlechten.
„Was wünscht du von mir?“ fragte ich sie.
„Meine Herrin sendet mich. Sie hat von dem Herrn erfahren, daß du gefangen bist und zu Tode gemartert werden sollst. Das tut ihrem Herzen weh.“
„Allah segne sie für das Mitgefühl!“
„Ja, sie ist gut, Effendi. Sie will dich retten.“
„Hamdullillah! In welcher Weise?“
„Leider kann sie gar nicht viel tun; aber was sie kann, das soll geschehen. Du hast, als ihr Haar zu schwinden begann, ihr die Zierde ihres Hauptes wiedergegeben. Das kann sie nicht vergessen. Sie will dir dafür danken, und ich soll dich bitten, mir zu sagen, welch einen Wunsch du hast.“
„Wo ist sie?“
„Draußen auf dem Deck. Sie hat ihren Bruder beredet, mit hinaus zu gehen, damit ich mit dir reden kann.“
„Aber wenn er nun plötzlich zurückkehrt und sieht, was du tust!“
„Sie will ihn draußen festhalten, bis ich ihr ein Zeichen gebe, daß ich ihren Auftrag ausgerichtet habe.“
„Das ist gut. Bringe mir schnell ein scharfes Messer.“
Sie ging, brachte das Messer und reichte es mir zu.
„Ich kann es nicht fassen, denn meine Hände sind gefesselt. Du mußt mir die Liebe erweisen, sie loszuschneiden.“
„Allah, was verlangst du von mir! Meine Hände zittern vor Angst; aber ich werde es dennoch tun, da du der Wohltäter meiner Herrin bist.“
Ich fühlte allerdings, daß ihre Hände zitterten, als sie den Strick durchschnitt. Dann nahm ich das Messer, drückte ihr die Hand und sagte:
„Ich danke dir, Fatma, du Lieblichste unter den Töchtern; Allah möge es dir vergelten! Weißt du, wie viel Männer sich auf diesem Schiff befinden?“
„Zwanzig und ein paar. Sie liegen draußen und schlafen.“
„Wo sind die Leute, welche uns gebracht haben? Wieder nach Faschodah zurück?“
„Nein. Sie liegen bei unsern Leuten.“
„So hängt also ihr Boot noch an dem Schiff?“
„Ja.“
„Das ist es, was ich wissen will. Du kannst nun gehen und brauchst das Zeichen gar nicht zu geben, denn deine Herrin wird ohne dasselbe in einigen Minuten erfahren, daß du deinen Auftrag gut ausgeführt hast. Wahrscheinlich sehen wir uns wieder. Dann werde ich dir ausführlicher danken, als es jetzt geschehen kann.“
Sie zog sich zurück.
„Welche Wonne, Effendi!“ sagte Ben Nil. „Du hattest doch recht. Man soll die Hoffnung niemals aufgeben. Wir sind gerettet, wenn man uns nicht aufhält.“
„Aufhält? Wenn ich im freien Besitz meiner Glieder bin und ein Messer in meiner Hand habe, lasse ich mich von zwanzig und einigen Männern nicht aufhalten. Darauf kannst du dich verlassen. Es ist ganz so, als ob wir schon
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