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28 - Im Lande des Mahdi II

28 - Im Lande des Mahdi II

Titel: 28 - Im Lande des Mahdi II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ohne ihn konnte ich unmöglich fort, denn das wäre der sichere Tod des braven Kerls gewesen. Ich mußte also auch bleiben. Aber die fürchterliche Gefahr, welcher der Raïs Effendina ahnungslos entgegenging! Sie mußte unbedingt abgewendet werden, und zwar sogleich. Er konnte schon am frühen Morgen angesegelt kommen, und dann war es zu spät. Ja, wenn es sich um einen Angriff, einen Überfall, nicht aber um dieses höllische Petroleum gehandelt hätte! Ich mußte es unschädlich machen. Wenn dann der Raïs kam, so verbrannte er wenigstens nicht und konnte sich, falls er angegriffen wurde, verteidigen.
    Sollte ich hinabsteigen und die Fässer in das Wasser wälzen? Nein, denn das hätte Geräusche verursacht. Ich konnte nicht wissen, wie weit sie fortschwammen. Wurden sie bald wieder an das Ufer gespült und da vom Schiff festgehalten, so ließ Ibn Asl sie holen und führte seinen Plan dann trotzdem aus. Sie mußten also stehen bleiben, und doch sollte das Petroleum fort. Anbohren? Ah! Mir fiel der Werkzeugkasten ein. Vielleicht lag ein Bohrer darin. Das war der einzige Weg, auf welchem ich das Verderben von dem Raïs und seinen Asakern abwenden konnte.
    Aber was würde Ibn Asl sagen, wenn er früh bemerkte, daß die Fässer leer seien? Mir gleichgültig! Ich durfte nicht an mich denken und mußte es eben darauf ankommen lassen, daß ich für den Täter gehalten wurde.
    Ich kehrte also so rasch wie möglich in die hintere Kajüte zurück. Ibn Asl atmete wie vorher; er schlief noch ebenso fest. Nun langte ich in den Kasten und nahm ein Werkzeug nach dem andern aus demselben. Das hatte seine große Schwierigkeiten, da ich jedes, auch das kleinste Geräusch vermeiden mußte. Es gelang; ich fand einige Bohrer. Mehrere waren zu stark. Das Loch oder vielmehr die Löcher sollten nicht so groß sein, daß man sie sogleich bemerkte. Fast ganz unten auf dem Boden lag einer, welcher nicht ganz die Dicke eines Bleistiftes hatte; dieser paßte mir. Ich steckte ihn ein und legte die Werkzeuge leise wieder in den Kasten. Dann lauschte ich abermals auf den Atem des Schläfers und huschte endlich hinaus und über das Deck hinüber nach der Stelle, an welcher die Leiter lehnte.
    Dort lugte ich erst vorsichtig über Bord, ob vielleicht ein Posten unten stehe, und stieg, als dies nicht der Fall war, hinab. Die kurze Strecke bis hin zu den Fässern war bald zurückgelegt, und ich begann die Arbeit. Jedes Faß mußte zwei Löcher bekommen, eins oben, um den Zutritt der Luft zu vermitteln, und eins unten zum Abfluß des Öls. Ich brachte sie an solchen Stellen an, auf welcher meiner Ansicht nach das Auge nicht gleich fallen würde. Dabei mußte ich mich hüten, mit dem ausfließenden Öl in Berührung zu kommen. Durch Ölgeruch oder gar Ölflecke wäre ich verraten worden.
    Die Fässer standen, um schnell aufgeschlagen und in den Fluß geworfen zu werden, ganz nahe am Wasser. Die Flüssigkeit hatte nur drei oder vier Fuß zu laufen, um das letztere zu erreichen. Nach nicht ganz einer Viertelstunde war ich fertig, spülte den Bohrer im Fluß rein, wischte ihn im Schilf sorgfältig ab und stieg dann wieder an Bord. In der Kajüte angekommen, legte ich ihn in den Kasten und kroch dann wieder in mein Moskitonetz.
    Das Herz war mir unendlich leicht. Ich hatte vielen Menschen das Leben erhalten und einen Bubenstreich verhütet, wie er nichtswürdiger gar nicht gedacht werden kann. Aber die Folgen für mich! Nun, die konnte ich unter den gegebenen Umständen nicht von mir abwenden und mußte eben ruhig warten, was geschehen werde. Die Aufregung, in welcher ich mich denn doch befunden hatte, legte sich, und ich schlief ein.
    Als ich erwachte, geschah dies nicht von selbst, sondern Ibn Asl weckte mich auf.
    „Steh auf, Amm Selad!“ sagte er. „Du wirst ausgeschlafen haben, denn es ist spät am Morgen, und es wird bald zu tun geben; der Raïs Effendina kommt.“
    Ich war natürlich sofort vollständig munter und sprang empor. Mein erster Blick galt seinem Gesicht. Es war nichts darin, was mich hätte vermuten lassen, daß meine Tat bereits entdeckt worden sei. Seine Augen glänzten unternehmend; er nickte mir sogar freundlich zu und fuhr fort:
    „Ja, ja, du staunst? Die Stunde ist gekommen. Geh heraus; der Kaffee steht für dich bereit!“
    Draußen vor der Kajüte lag ein Polster, auf welches ich mich setzen sollte. Eine alte, häßliche Negerin brachte mir den erwähnten Morgentrunk. Die Sklavenjäger lagerten am Ufer, ganz so, wie ich sie

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