28 Tage lang (German Edition)
Mensch war, die untätig in einer Wohnung herumsitzen und auf Onkelchen warten konnte, ohne durchzudrehen.
Wenn man es recht betrachtete, war Amos schon längst durchgedreht. Mich ins Kino zu führen war definitiv irrsinnig von ihm. Und himmlisch für mich.
Wir setzten uns in eine Reihe an den Rand, falls wir doch schnell fliehen mussten – ganz konnte man die Gefahr auch als Irrsinniger nicht ausblenden –, und als das Licht ausging, schlug mein Herz höher. Keiner meiner geliebten Hollywoodfilme war auf der Leinwand zu sehen, die waren auch für Deutsche und Polen verboten, aber es gab einen lustigen Film namens «Quax, der Bruchpilot» mit Heinz Rühmann. Natürlich war er auf Deutsch, dennoch konnte ich halbwegs verstehen, worum es ging.
In diesem Film wurde gesungen, und der Held war so ganz anders, als die Deutschen sich sonst selbst gerne sahen. Anfangs war er ein liebenswerter, feiger kleiner Lügner. Sicher, wenn man mehr über den Film nachgedacht hätte, hätte man erkennen können, wie die Geschichte die Zuschauer auch für die Militärfliegerei begeistern sollte. Doch ich wollte nicht nachdenken. Ich wollte lachen. Und Amos auch. Unbedingt.
Irgendwann in der Mitte des Filmes ergriff er meine Hand und ließ sie nicht mehr los. Von da an war es mir nicht mehr so wichtig, was sich auf der Leinwand abspielte, und völlig einerlei, was Esther sagen würde oder was das für Daniel bedeuten würde, der ja ohnehin nicht mehr lebte. Händchen haltend in diesem Kino erkannte ich, was für ein Mensch ich am liebsten sein wollte: ein ganz normaler mit einem ganz normalen Leben.
Nach der Vorstellung schlenderten wir zu der Wohnung zurück, immer noch Hand in Hand. Amos scherzte: «Das gehört zu unserer Tarnung als Brautpaar.» Mir schien – oder bildete ich es mir nur ein? –, dass er sich in diesem Moment genauso nach einem normalen Leben sehnte wie ich.
Ich genoss unseren Spaziergang so sehr, dass ich es meinem Bräutigam überließ, aus den Augenwinkeln zu prüfen, ob uns irgendwelche Gefahren von Deutschen oder Schmalzowniks drohten. So gingen wir Händchen haltend, bis uns Onkelchen fröhlich entgegenkam und rief: «Da seid ihr ja!» Natürlich war seine Fröhlichkeit nur gespielt, hatten wir uns doch über seine ausdrückliche Anweisung, in der Wohnung zu bleiben, hinweggesetzt. «Ich wollte euch gerade zu Olga abholen, es gibt viel zu essen. Ihr kennt sie ja», lachte er, und seine Alkoholfahne wehte uns entgegen.
«Oh ja, die Olga!», lachte Amos demonstrativ mit.
Onkelchen führte uns zu einem Auto, wir stiegen ein und setzten uns auf die Rückbank. Er ließ den Motor an und fuhr los. Dabei verriet die Wildheit, mit der er startete, wie zornig er auf uns war.
Sollte er doch wütend sein, der Ausflug hatte sich gelohnt. Diese Erinnerung würde mir keiner mehr nehmen können.
«Wohin fahren wir?», wollte Amos wissen.
«Zu unserem Treffen», antwortete Onkelchen scharf.
«Das ging ja schneller als erwartet», war ich erstaunt.
«Euer stinkender Brief hat sie alarmiert.»
Das war ein gutes Zeichen, hoffte ich jedenfalls.
«Wo findet das Treffen statt?», fragte Amos.
«Das ist geheim. Wenn wir aus der Stadt draußen sind, werde ich euch die Augen verbinden.»
«Ihr traut uns nicht», stellte Amos fest, und es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihn das in seinem Stolz verletzte.
«Natürlich nicht», platzte es aus Onkelchen heraus, «ihr Scheißjuden marschiert durch die Stadt, wo man euch jederzeit erwischen kann, und es ist euch völlig egal, dass ihr damit auch mich in Gefahr bringt.»
«Wen nennst du hier Scheißjuden, du Säufer?», brauste Amos auf.
«Dich nenn ich Scheißjude, du Scheißjude», gab Onkelchen zurück.
Amos wollte ihn packen. Dass Onkelchen dann womöglich einen Unfall gemacht hätte, war ihm in diesem Moment völlig egal. Mir weniger. Ich hielt ihn an den Schultern zurück und sagte leise: «Nicht.»
Amos blickte mich kurz wütend an, beruhigte sich etwas und lehnte sich wieder zurück.
«Das Mädchen ist klüger als du», spottete Onkelchen. «Nicht, dass das schwer wäre.»
Ich wollte wieder Amos’ Hand nehmen, um ihm zu zeigen, dass wir zusammengehörten, nicht nur als falsche Ehepartner, sondern auch als echte Kameraden, doch kaum berührte ich ihn, zog er seine Hand weg, steckte sie in die Hosentasche und starrte aus dem Fenster.
Als wir aus der Stadt herausfuhren, warf uns Onkelchen Augenbinden auf die Rückbank und wies uns an: «Bindet
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