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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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euch die um.»
    «Sehr, sehr gerne», kommentierte Amos bitter, «dann müssen wir dich nicht mehr sehen.»
    Nach vielleicht einer halben Stunde Fahrt hielt das Auto, und Onkelchen lachte: «Es werde Licht.»
    Wir nahmen die Binden ab, erkannten, dass wir uns in einem Waldstück befanden, stiegen aus dem Wagen, und meine Lungen füllten sich mit frischer Luft. Seit Jahren war ich nicht in einem Wald gewesen – die Gerüche von Blumen, Bäumen und Moos überwältigten mich.
    Doch ich riss mich zusammen. Ich war nicht hier, um die Natur zu genießen wie eine Polin, die mit ihrem Ehemann einen Ausflug macht. Dies war kein Moment für die Illusion von einem normalen Leben. Jetzt ging es um die Sache. Unsere Sache.
    Wir gingen auf eine Jägerhütte zu, die einen unbewohnten, geradezu verfallenen Eindruck machte. Zwei Polen mittleren Alters warteten bereits an der Tür auf uns. Einer hatte einen grauen Schnurrbart, der andere eine hohe Stirn und ein glattrasiertes Gesicht.
    «Die Juden schicken Kinder», sagte der mit dem Schnurrbart abfällig. Der andere Mann erwiderte: «Mut ist keine Sache des Alters.»
    Beide Männer trugen dunkle Lederjacken, und der Freundlichere der beiden erklärte: «Ich bin Hauptmann Iwanski von der Landesarmee. Das ist mein Vorgesetzter Oberst Rowecki.» Danach wandte er sich Onkelchen zu und forderte ihn auf: «Du kannst draußen auf unsere Gäste warten.»
    Onkelchen nickte brav und verzog sich. Bestimmt war er froh, dass er sich nun im Schatten der Bäume einen hinter die Binde kippen konnte.
    «Bitte, tretet ein», bat der freundliche Hauptmann.
    Wir folgten ihm in die Hütte und setzten uns an den Tisch. Der Hauptmann schenkte Korn in Gläser und sagte: «Bevor wir reden, lasst uns anstoßen.»
    Wir erhoben alle die Gläser, der finstere Schnurrbart-Oberst allerdings eher widerwillig.
    «Auf ein freies Polen!», sprach der Hauptmann als Trinkspruch.
    «Auf ein freies Polen», wiederholten wir anderen, ließen die Gläser klirren und tranken. Da ich Korn nicht gewöhnt war, schüttelte ich mich. Amos hingegen verzog keine Miene, und die beiden polnischen Offiziere tranken die Schnäpse wie andere Leute Wasser.
     
    «Kommen wir zur Sache», drängelte der Oberst, dem das ganze Treffen lästig, gar zuwider zu sein schien, «ihr bekommt zwanzig Pistolen.»
    «Zwanzig Pistolen?», fragte Amos ungläubig nach.
    Das war so lächerlich wenig, der Oberst hätte auch sagen können: Ihr bekommt zwanzig Schnuller.
    «Zwanzig Pistolen», bestätigte der Oberst.
    «Dann sehen wir weiter», ergänzte Iwanski freundlich.
    «Das reicht nicht», protestierte Amos.
    Iwanskis Augen antworteten: «Ich weiß», aber sein Vorgesetzter erklärte: «Wir brauchen die Waffen selber für unsere polnischen Landsleute.»
    «Wir sind auch Polen», erwiderte ich.
    Iwanski bestätigte: «Ja, das seid ihr.»
    An dem Blick vom Oberst aber erkannte ich, dass er das anders sah. Dieser Offizier hatte die gleichen Feinde wie wir, und genauso wie wir riskierte er im Untergrund sein Leben, um die Deutschen zu bekämpfen. Und dennoch brachte er es nicht fertig, uns als echte Polen anzusehen.
    In jenem Augenblick erkannte ich, dass ich gar keine Polin war. Selbst wenn ich eine hätte sein wollen. Die Polen würden uns Juden nie als ein Teil ihres Volkes betrachten.
    «Dann helft uns», bat Amos eindringlich Iwanski.
    Bevor der Hauptmann antworten konnte, erklärte der Schnurrbart-Oberst: «Wir geben euch schon mehr, als klug ist.»
    «Klug?» In Amos stieg der Zorn hoch.
    «Wir brauchen die Waffen für unseren eigenen Kampf.»
    «Euer Kampf ist auch unser Kampf!», hielt Amos dagegen.
    «Für einen Aufstand ist die Zeit noch nicht gekommen», erklärte der Oberst kühl. «Wir müssen warten, bis die Russen in Polen einfallen. Wir können es uns nicht leisten, dass uns irgendwelche Juden jetzt schon in einen Aufstand schicken und Warschau brennen lassen, wenn wir keine Möglichkeit haben, die Deutschen zu besiegen.»
    «Irgendwelche Juden?» Amos stand auf und beugte sich halb über den Tisch.
    Der Oberst ließ sich von Amos’ gerechtem Zorn nicht beeindrucken und sagte scharf: «Euch zu unterstützen ist für uns Selbstmord.»
    Iwanski erkannte, dass Amos kurz davor war zu explodieren, und versuchte zu beschwichtigen: «Das ist nicht nur unsere Haltung, sondern auch die von der polnischen Exilregierung in London.»
    «Die Deutschen bringen uns Juden um!», schrie Amos.
    «Das wissen wir», sagte Iwanski.
    Amos rang nach Worten,

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