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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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nannte, der ihm gute Ware brachte. Mein Blick fiel in die Auslage, und ich registrierte die aktuellen Preise für Nahrungsmittel: ein Ei – drei Złoty, ein Liter Milch – zwölf Złoty, ein Kilo Butter – 115  Złoty, ein Kilo Kaffee 660  Złoty … irgendwann musste ich anfangen, Kaffee zu schmuggeln. Die Gewinnspanne war unglaublich. Doch dazu brauchte ich mehr Geld, um welchen auf der polnischen Seite einkaufen zu können.
    Selbstverständlich waren die Waren in Jureks Laden für Normalsterbliche unerschwinglich. Ein Arbeiter, der in den deutschen Fabriken des Ghettos knechtete, verdiente im Monat in etwa 250  Złoty. Er könnte sich also gerade mal zwei Kilo Butter und einen Liter Milch davon kaufen. Jurek sah in meine Taschen und lachte zufrieden: «Du bist wirklich mein Liebling.»
    Jetzt sagte er es so, dass ich etwas unsicher wurde: Vielleicht war es ja doch nicht einfach nur charmantes Gerede. Womöglich schätzte er mich wirklich am meisten.
    Nachdem wir geklärt hatten, was ich für meine Familie behalten wollte – Eier, Karotten, etwas von der Marmelade, aber auch ein Pfund Butter –, biss er in den Blätterteigkuchen und überlegte, wie viel er mir zahlen würde. Normalerweise gab er mir die Hälfte von dem Geld, für das er die Sachen später selbst verkaufte. Ob das gerecht war? Jedenfalls hatte ich niemanden gefunden, der mir mehr gab. Und die Waren selbst zu Geld zu machen, war gar nicht so einfach. Je länger ich sie besaß, desto größer wurde die Gefahr, dass man sie mir stahl.
    Jurek nahm Geld aus seiner Kasse, auf der eine dicke Schicht Staub lag – er hielt nicht allzu viel vom Saubermachen –, und drückte mir die Scheine in die Hand. Ich zählte nach, ob er mich auch nicht übers Ohr gehauen hatte, und war erstaunt: Das war mehr Geld als sonst. Bestimmt zweihundert Złoty zu viel! Mit dem Geld konnte ich beim nächsten Gang tatsächlich Kaffee besorgen. Hatte Jurek sich verrechnet? Ausgerechnet der schlaue Jurek? Sollte ich nachfragen? Ich beschloss, es nicht zu tun. Ich konnte jeden Złoty gebrauchen. Wenn er sich verrechnet hatte, war er selber schuld. Außerdem konnte er den Verlust verkraften.
    «Ich hab mich nicht verzählt», lachte er. «Das stimmt schon so.»
    Mist! In meinem Gesicht konnte man einfach viel zu leicht lesen, was ich dachte. Jedenfalls waren durchtriebene Menschen wie Jurek oder der Anführer der Schmalzowniks dazu in der Lage. Das musste sich ändern!
    «Du gibst mir freiwillig mehr?», fragte ich irritiert.
    «Ja, weil ich dich wirklich sehr mag, Mira …», antwortete der Alte und strich mir dabei mit seiner Hand über die Wange. Das hatte ganz und gar nichts Anzügliches, es war freundschaftlich, fast schon väterlich. Er erwartete keine Gegenleistung für sein Geld. Abgesehen davon hatte ich mal das Gerücht gehört, dass Jurek sich nie etwas aus Frauen gemacht hatte und eher auf Männer stand.
    «Und ich tue es, weil Geld bald sowieso nichts mehr bedeutet.»
    Wie kam er denn darauf? «Du meinst, wegen der Inflation?», fragte ich irritiert.
    Tatsächlich stiegen die Preise im Ghetto von Monat zu Monat. War Anfang des Jahres das Ei noch für einen Złoty zu haben, musste man jetzt das Dreifache zahlen.
    «Nein, das meine ich nicht», lachte Jurek und sagte etwas, was mich erschreckte: «Du sollst es noch ein bisschen gut haben.»
    Das klang fast so, als ob ich bald sterben würde. Was sollte das? Sicher setzte ich bei jedem Gang auf die andere Seite mein Leben aufs Spiel, und heute war es wirklich knapp gewesen, aber so leicht würde ich nicht sterben. Ich würde noch mehr aufpassen, mich noch besser vorbereiten, mich nie erwischen lassen.
    «Mir wird beim Schmuggeln schon nichts passieren», widersprach ich Jurek.
    «Darum geht es nicht», seufzte er. «Es wird hier bald sehr übel werden.»
    «Was meinst du damit? Hast du etwas gehört?», fragte ich besorgt.
    «Ja, ich hab da Dinge gehört, keine guten Dinge …» Mehr wollte er nicht sagen.
    «Was für Dinge?», hakte ich nach. «Von wem?»
    «Von einem SS -Mann, mit dem ich Geschäfte mache.»
    Ich mochte Jurek, aber es widerte mich an, dass er auch mit SS -Männern handelte. Doch das war jetzt nicht der Punkt: «Was genau hat er erzählt?»
    «Er hat nur Andeutungen gemacht, aber er erwähnte, dass unser friedliches Leben hier ab morgen vorbei ist.» Mit einem Mal lachte der sonst so joviale Jurek bitter: «Als ob man das hier ein friedliches Leben nennen könnte.»
    «Was kann der SS

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