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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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stecken.» Und bei Zivilisten dachte ich hauptsächlich an Daniel und ein bisschen auch an seine kleine Schwester.
    «Du hast recht», nickte Rachel. Der Wunsch nach Rache in ihr war nicht so groß wie der Wunsch, Menschen zu helfen.
    Wir rannten in den Keller, und genau in jenem Augenblick, in dem wir die Tür zum Bunker öffneten, hörten wir eine Explosion. Die Deutschen hatten eine Brandgranate in unser Haus geschleudert.
    «Schnell! Schnell!», rief Rachel den Zivilisten zu «Wir müssen alle raus!»
    In diesem Augenblick rollte eine Handgranate die Kellertreppe herunter.
    «In Deckung!», schrie Amos.
    Wir alle rannten weg. Die meisten von uns in den Bunker. Nur Esther … Esther versuchte Schutz in einem angrenzenden Kellerraum zu finden. Die Granate rollte direkt in ihre Richtung und explodierte.
    «Esther!», schrie Amos über den Lärm, rannte aus dem Bunker heraus, durch die Flammen zu ihr. Aber da lag nur ihr zerfetzter Leib.
    Amos schrie wie ein Tier.
    «Die Treppe! Die verdammte Treppe!», rief Avi.
    Die Soldaten hatten mit der Granate die Kellertreppe zerstört. Über uns brannte das Haus. Und wir konnten nicht mehr heraus, waren in einem Loch in der Erde gefangen wie Karnickel in einem brennenden Bau.
    «Wir werden verbrennen! Wir werden verbrennen!», schrie Avi hysterisch.
    «Wir brauchen eine Leiter oder ein Brett!», rief Rachel, die noch am ehesten einen klaren Kopf behielt.
    Wir alle machten uns auf die Suche. Nur Amos starrte weiter in die Flammen, in denen Esthers Leiche verbrannte.
    «Amos!», rief ich.
    Er reagierte nicht.
    «Amos, wir brauchen etwas zum Rausklettern!»
    Langsam, ganz langsam riss er sich von dem Anblick los.
    In dem Bunker begannen die Leute indessen, vor Todesangst zu schreien. Daniel versuchte sie zu beruhigen: «Wir kommen hier raus, wir kommen hier raus …»
    Er wiederholte es immer wieder, aber es bewirkte rein gar nichts. Die Menschen waren in Panik geraten.
    «Hier!», rief Ben Rothaar. Er deutete auf ein großes Brett, das in einer Ecke lag. Wir stellten es dorthin, wo noch keine zwei Minuten zuvor die Kellertreppe gewesen war. Es stand hochkant in einem extrem steilen Winkel. Man würde das Brett nicht einfach so hochlaufen können, man musste sich daran hochziehen.
    Daniel trat zu mir: «Das werden die Alten und Kranken nicht schaffen.»
    Wir Kämpfer ließen den Zivilisten den Vortritt, halfen ihnen, so gut es ging. Auch Amos, der jedoch immer wieder zu den Flammen sah, die Esthers Körper verschlangen. Ein Anblick, den ich vermied.
    Schließlich lagen im Bunker vielleicht noch ein Dutzend Kranke, Verwundete, Schwache. Darunter die Skelettfrau mit ihrem Kind.
    «Wir können sie hier nicht zurücklassen», sagte Daniel.
    «Wir haben keine andere Wahl!», hielt Rachel dagegen.
    Viele im Bunker schrien: «Lasst uns nicht zurück! Lasst uns nicht zurück!»
    Einige weinten. Die meisten aber saßen nur stumm da. So lange hatten sie sich versteckt. So lange überlebt. Nur um hier zu verbrennen.
    Wir Kämpfer kletterten einer nach dem anderen die Planke hoch. Auch Daniel, der sich dafür entschied, an der Seite seiner kleinen Schwester weiterzuleben, anstatt bei den Versehrten zu bleiben.
    Es gab keinen Moment Pause, in denen wir um sie trauern konnten. Oder um Esther. Als wir auf den Hof traten, leuchtete der Himmel feuerrot. Die meterhohen Flammen fraßen um uns herum die Häuser.
    «So muss die Hölle aussehen», stellte Ben Rothaar fest.
    Wir machten uns auf den Weg durch diese Hölle. Zwanzig Kämpfer und vielleicht vierzig Zivilisten. Wir rannten durch die brennenden Straßen, aus denen sich die Deutschen zurückgezogen hatten, um nicht selbst in dem Inferno zu verbrennen. Häuser stürzten ein. Das Pflaster unter unsern Füßen verflüssigte sich. Ich hatte Angst, mit meinen Sohlen darin festzukleben. Das Tosen der Flammen war ohrenbetäubend. Jeden Augenblick, so befürchtete ich, würde dieser Höllenlärm meinen Kopf platzen lassen. Brennende Holzstücke regneten auf uns herab. Ein Zivilist wurde von einem Balken erschlagen. Ein anderer von herabstürzenden Ziegeln.
    Daniel hielt seine Rebecca die ganze Zeit fest, und die wiederum hielt in ihrer Faust die Glasmurmel. Sie wusste, würde die Murmel auf das Pflaster fallen, würde ihr Schatz schmelzen.
    Was Menschen angesichts des Todes wichtig war …
    Wir bahnten uns einen Weg in den Bereich des Ghettos, der nicht in Flammen stand und auf den, solange der Wind günstig stand, das Feuer nicht übergreifen

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