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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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würde ich wohl auch so reagieren.
    «Du kannst die Kleine mit einer Waffe besser verteidigen», sagte ich ruhiger.
    Daniel schüttelte nur den Kopf, Waffen waren nicht in Korczaks Sinne. Zwecklos, darüber weiter zu reden. Ich rappelte mich auf und ging zu meinen Kameraden. Die hatten mittlerweile beschlossen, in der Nacht Proviant zu suchen und Kontakt zu den anderen Gruppen aufzunehmen.
    Rachel gab mir die Order: «Sieh nach, ob die Luft rein ist.»
    Amos erklärte: «Ich mach das.»
    Das konnte ich nicht zulassen, ich war genauso ein Kämpfer wie er, ich war keine Prinzessin, die von ihrem Prinz beschützt werden musste.
    «Ich geh!», sagte ich bestimmt, verließ den Bunker und stieg die Kellertreppe hinauf in das Treppenhaus, in dem die meisten Fenster noch heil waren. Vorsichtig sah ich durch eins auf die nächtliche Straße. Soldaten waren keine zu sehen. Doch selbstverständlich konnte ich nicht die ganze Straße überblicken, dafür musste ich raus.
    Ich zückte meine Pistole – nicht in der Hoffnung, dass ich ganz allein eine SS -Patrouille überwältigen könnte, aber vielleicht könnte ich mit der Waffe im Notfall genug Zeit gewinnen, um nicht aufgegriffen zu werden. Allerdings: Wenn die Deutschen mich sahen, durfte ich nicht zurück zum Bunker laufen, denn so würde ich die SS zu dem Versteck lotsen. Wenn ich erwischt wurde, würden die Deutschen mich ohnehin so lange foltern, bis ich meine Kameraden verriet. Und die Zivilisten. Daniel. Amos.
    Bevor das geschah, würde ich mich mit der Waffe selbst erschießen.
    Vorsichtig trat ich aus der Tür. Die Luft roch nach Rauch. Weiter unten in der Straße glühte noch Asche auf den Resten eines bis auf die Grundmauern heruntergebrannten Hauses. Weit und breit war niemand zu sehen. Ich ging bis zur nächsten Kreuzung, um ganz sicherzugehen. Nirgendwo waren SS -Leute. Ich hörte auch keine Geräusche von Panzern oder Autos. Ich blickte zum Muranowskiplatz. Die Fahnen wehten weiter im Wind. Das Ghetto gehörte immer noch uns.

62
    In dieser Nacht erfuhren wir von den Verlusten, die andere Gruppen zu beklagen hatten, sprachen uns aber gegenseitig beim Essen Mut zu: Wir hatten schon zwei Tage überlebt, zwei Tage den Deutschen die Stirn geboten und würden es auch noch einen dritten schaffen.
    Frühmorgens bezogen wir Stellung im vierten Stock, während die Zivilisten im Bunker zurückblieben. Doch wir wurden in keinerlei Gefechte verwickelt, überhaupt hörte man nur vereinzeltes Artilleriefeuer im Ghetto.
    «Die Deutschen trauen sich nicht mehr», freute sich Esther gegen Mittag.
    «So viel Glück haben wir nie», entgegnete Amos.
    Selbstverständlich sollte er recht behalten.
    Eine halbe Stunde später hörten wir Lastwagen. Einer von ihnen hielt weiter unten in der Straße. SS -Leute sprangen heraus. Von unserer Stellung aus konnten wir sie nicht unter Beschuss nehmen, dafür waren sie zu weit entfernt. Die Soldaten rollten Fässer vor die Haustüren.
    «Das sind Benzinfässer», erkannte Amos.
    Die Soldaten bestiegen wieder ihre Lastwagen, warfen brennende Fackeln und brausten davon. Die Fässer fingen Feuer und explodierten. Binnen Sekunden gingen die ersten Häuser in Flammen auf.
    «Oh nein …», sagte Esther.
    Der Rest von uns schwieg entsetzt.
    Zivilisten traten auf die Balkone und an die Fenster der brennenden Häuser. Sie hatten keine andere Wahl, als zu springen. SS -Soldaten bauten sich vor den Gebäuden auf und machten sich einen Spaß daraus, auf die Springenden zu schießen. Jedes Mal johlten sie, wenn sie jemanden noch im Fall trafen. Besonders laut, als einer von ihnen eine Mutter, die ein Baby im Arm hatte, erschoss.
    Eine alte Frau fiel von einem Balkon auf einen brennenden Müllhaufen. Von dem konnte sich die Alte nicht mehr runterbewegen, da sie sich beim Aufprall verletzt hatte. Die menschliche Fackel schrie und schrie und flehte die Soldaten an: «Erschießt mich, bitte, bitte, bitte, erschießt mich!» Die taten ihr diesen Gefallen nicht. Sie zielten lieber weiter auf springende Juden. Das war für sie ein Spaß wie auf dem Jahrmarkt.
    Wir sahen alle gelähmt zu. Als Erste fand Rachel ihre Sprache wieder: «Wir müssen näher ran.»
    Doch bevor wir uns auf den Weg machen konnten, um die Bastarde zu töten und von ihnen getötet zu werden, gingen die Soldaten von Haus zu Haus und warfen Brandgranaten in die Eingänge.
    «Wir müssen die Zivilisten aus dem Bunker holen!», hielt ich Rachel zurück. «Die werden auch unser Haus in Brand

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