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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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stieß ich mit meinem lädierten Knöchel gegen einen Stuhl. Ich war sogar ein bisschen dankbar für den Schmerz, lenkte er mich doch von der gespenstischen Atmosphäre ab.
    Auch in der Küche sah man, dass der Aufbruch plötzlich gekommen war. Auf einem Teller lag ein angebissenes Stück Brot. Mein Magen grummelte. Wann hatte ich das letzte Mal gegessen? Gestern? Nein. Vorgestern. Seit ich von dem Apfelsaft gespuckt hatte, hatte ich nichts mehr zu mir genommen.
    Ich starrte auf das Brot. Ich hatte noch nie etwas gestohlen. Doch war es stehlen, wenn man etwas nahm, das jemand liegen gelassen hatte, der nie wieder zurückkam? Wäre ich dann wirklich ein Dieb?
    Nein.
    Aber womöglich eine Leichenfledderin. Das wäre doch noch schlimmer. Oder?
    Andererseits war der Besitzer des Brotes nicht tot. Er war jetzt auf dem Umschlagplatz. Oder bereits in einem Zug Richtung Osten. Zu den Lastwagen von Chełmno. Oder vielleicht doch erst mal für eine Weile zur Arbeit auf die Felder. Egal, wo er auch war, ihm würde es nichts nutzen, wenn das Brot hier auf dem Tisch vergammeln würde. Ich musste also kein schlechtes Gewissen haben.
    Natürlich hatte ich doch welches. Und dennoch biss ich zu.
    Ich kaute langsam und sah mich dabei in der Küche um. Hier war Essen, das uns für ein paar Tage reichen konnte. Wir würden nicht auf die Straße müssen, nicht Gefahr laufen, geschnappt zu werden. Das war wunderbar. Ich konnte mir ein Lächeln gerade noch verkneifen.
    Mit dem Brot in der Hand ging ich ins Treppenhaus. Es war menschenleer, noch nie hatte ich es so still erlebt. Auch hier lagen auf den Etagen zurückgelassene Decken und Kleidung herum, hier und da sogar Bücher.
    «Das ist ja wie in einem Geisterhaus!», rief eine Stimme von oben, und ich ließ vor lauter Schreck mein Brot fallen. Ich blickte nach oben, Hannah sah von dem Geländer unseres Stockwerkes herab auf die Verwüstung.
    «Scheiße, hast du mich erschreckt», schimpfte ich. Doch sie starrte nur verstört in die Tiefe des Treppenhauses und fragte: «Sind wir die Einzigen?»
    Diese Frage hatte ich mir selber noch nicht gestellt. In dem Haus gab es so viele Wohnungen, und bestimmt lebten in einigen von ihnen auch Menschen, die die Erlaubnis besaßen zu bleiben. Die waren gerade bei der Arbeit in ihren Werkstätten und würden heute Abend in ein Geisterhaus zurückkehren. Und sie würden erst dann erfahren, dass geliebte Menschen abtransportiert worden waren. In meinen Ohren hörte ich noch: «Mein Mann arbeitet bei Schulz!», «Bescheinigung?», «Die hat er doch bei der Arbeit!», «Dann kommst du mit!»
    Ich war mir jetzt sicher, dass es die nette Frau Scheindel gewesen war, die da gefleht hatte.
    «Wir sind bestimmt nicht alleine», sagte ich zu Hannah.
    «Aber alleiner als zuvor», erwiderte sie leise.
    Ich wollte sie nach dem ganzen Schrecken aufmuntern. Unbedingt. Allerdings nahm ich sie dazu nicht in die Arme, sondern sagte: «Komm, lass uns was essen.»
    Es gibt nichts, was im Schrecken so sehr die Stimmung hebt wie Essen. Die Leute aus Kraków hatten nicht nur Brot, sondern auch Butter und sogar etwas Schinken zurückgelassen. Und wir mampften alle. Mama. Hannah. Ich. Während ich so zusah, wie Hannah sich genussvoll das erste Mal seit langem so richtig satt aß, hatte ich kein bisschen schlechtes Gewissen mehr, fremdes Essen zu stehlen.
    «Werden die Deutschen noch mal kommen?», fragte Mama, die aus lauter Gewohnheit den größeren Teil ihrer Brotscheibe Hannah zuschob, obwohl wir ausnahmsweise genug davon hatten. Sogar mehr als genug.
    «Ich glaube nicht», erwiderte ich, «es gibt so viele Häuser zu räumen. Wieso sollten die in eines zurückkehren, in dem sie schon mal waren?»
    Ich war mir in dieser Hinsicht ziemlich sicher. Und das erleichterte mich. Ich konnte mich erst mal ausruhen, meine Wunden kurieren, und wenn wir uns das Essen ordentlich einteilten, so müsste es mindestens für eine Woche reichen. Falls ich in den anderen leeren Wohnungen auch noch etwas fand, sogar für länger. Das Beste aber war: Ich würde eine ganze Weile weder den Nazis noch Schmul Ascher begegnen müssen.
    «Krieg ich jetzt mein eigenes Zimmer?», fragte Hannah mit vollem Mund.
    Ich musste lachen, und gleich darauf dachte ich: Ich will auch eins.
    «Warum nicht?», antwortete ich. «Such dir eins aus.»
    «Dann nehme ich unseres.»
    Sie wollte ihr eigenes Reich, aber keine Veränderung.
    Ich sah fragend zu Mama. Die zuckte mit den Schultern und sagte: «Von mir

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