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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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weiter und hörte erst nach der fünften oder sechsten Verbeugung der Darsteller damit auf. Korczak beendete seinen Applaus eine Verbeugung früher und sah zu mir. Er war noch mal um Jahre gealtert. Dennoch funkelten seine Augen freudig, als er mich anlächelte und sagte: «Es ist schön, dich zu sehen, Mira», was übersetzt natürlich bedeutete: «Es ist schön, dass du noch lebst, Mira.»
    «Sie auch», erwiderte ich, «Sie auch.»
    Ein kleines Mädchen rief: «Doktor Korczak, Doktor Korczak! Elias hat meinen Stoffesel geklaut!»
    Das Mädchen, das oben und unten im Gebiss jeweils eine süße Zahnlücke hatte, war dem Heulen nah.
    Korczak lächelte: «Ein Esel will nun mal einen Esel.»
    Das Mädchen musste trotz seines Zorns lachen.
    Korczak nahm ihre kleine Hand in seine alten Hände und sagte: «Dann wollen wir mal zu den beiden Eseln», und ging mit dem Mädchen davon.
    Jetzt standen Daniel und ich alleine da, während um uns herum einige Kinder begannen, die Stühle und Tische fürs Mittagessen hinzustellen. Kein Betreuer hatte sie extra dazu auffordern müssen. Diese Kinder wussten, was sie zu tun hatten, damit ihre Gemeinschaft funktionierte.
    «Was machst du hier?», fragte mich Daniel und war sich ganz offensichtlich unschlüssig, ob meine Anwesenheit ein Grund zur Freude oder zur Sorge sein musste.
    Ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte, schließlich wuselten die Kinder um uns herum, und ich würde sie verschrecken, wenn ich erzählen würde, dass die Waisenhäuser geräumt werden sollten. Doch von wem hatte ich das überhaupt gehört? Vielleicht war es nur eins dieser vielen Ghetto-Gerüchte, und ich hatte völlig übertrieben darauf reagiert.
    «Ich erzähl es dir auf dem Dach», entschied ich mich zu antworten.
    Daniel blickte sich unsicher um. Eigentlich war es seine Aufgabe, den Kleinen beim Tischdecken zu helfen.
    «Es dauert auch nicht lange», versprach ich ihm, und er nickte.
    Während wir die Treppenstufen zum Dach hinaufstiegen, dachte ich darüber nach, was genau ich ihm sagen wollte. Wenn das Waisenhaus geräumt werden sollte – selbst wenn nicht heute, irgendwann wäre es so weit –, dann durfte Daniel nicht bei ihnen sein. Er sollte überleben. Bei mir bleiben. Doch würde er die Kinder verlassen? Korczak würde es jedenfalls nicht tun. Er hatte seine eigene Rettung bereits ausgeschlagen. Und Daniel vergötterte diesen Mann. Wie könnte er zurückbleiben, während sein Ersatzvater mit seiner Ersatzfamilie die Viehwaggons bestieg? Was könnte Daniel dazu bewegen, bei mir zu bleiben?
    Unsere Liebe. Unsere Liebe musste doch größer sein als die zu Korczak. Oder?
    «Das Theaterstück eben», erklärte Daniel, als er die Luke zum Dachboden öffnete, «heißt
Abschied von Sarah

    Damit riss er mich aus meinen Gedanken.
    «Korczak hat es geschrieben. Er will die Kinder auf den Tod vorbereiten. Sie sollen keine Angst mehr vor ihm haben und das Ende des Lebens als etwas Erlösendes empfinden.»
    Das war das Traurigste, was ich je gehört hatte.
    Daniel kletterte durch die Luke, und ich folgte ihm. Auf unser Dach brannte unerbittlich die Mittagssonne. Es war gut, dass wir Schuhe anhatten, denn auf den heißen Ziegeln hätte man Spiegeleier braten können, wenn man denn Eier gehabt hätte. Sich auf den Boden zu setzen kam nicht in Frage, das wäre höchstens auf einem der losen Holzbretter gegangen, die hier oben herumlagen, weil Daniel in den Tagen vor der Aktion vorgehabt hatte, uns ein kleines Regendach zusammenzuzimmern.
    «Also, weswegen bist du gekommen?», fragte er nun, während die Hitze auf uns runterknallte.
    «Zieh zu uns in die Miła-Straße», bat ich und war von meinen Worten selbst überrascht. Jedoch nicht ganz so wie Daniel. Der sah mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte.
    «Sie werden die Waisenhäuser räumen», erklärte ich verzweifelt. Aber ich wusste schon, was Daniel mir antworten würde: Mein Platz ist hier. Bei den Kindern. Bei Korczak.
    Und da ich die Antwort schon kannte, sprach er sie gar nicht mehr aus.
    «Eben hat im Ghetto schon jemand gerufen», erzählte ich, «dass die SS kommt, um euch zu holen.»
    Das alarmierte Daniel dann doch. Er hatte zwar weniger Angst um sich selber als um die Kinder, aber Angst um sein eigenes Leben hatte er eben auch. Alles andere wäre ja auch verrückt gewesen.
    «Komm mit mir», bat ich.
    «Ich kann nicht. Das weißt du.»
    Ich sah ihn wütend an.
    «Aber ich begreife es nicht», gab ich zurück, etwas zu

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