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28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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vom Boden und gab sie mir. Ich ging mit den Waffen aus der Bank. Ohne einen Złoty gezahlt zu haben. Ohne einen Schlag mit dem Knüppel bekommen zu haben.
    Es gewinnt der, der am wenigsten Angst hat. Das begriff ich nun. Deswegen hatten die Deutschen gegen uns Juden gewonnen.
    Bisher.
    Doch jetzt hatten wir keine Angst mehr.
    Wir waren ja schon tot.

38
    Als ich zu unserer Gruppe in den Bunker zurückkehrte, fühlte ich mich zwar nicht gut, aber immerhin wertvoller als zuvor. Ich hatte meinen ersten Auftrag erfüllt.
    Natürlich erzählte ich Esther, Amos und den anderen nichts von dem, was mir widerfahren war; sie sollten nicht erfahren, wie unvorsichtig ich gewesen war. Ich berichtete nur, dass ich die Waffen bei der anderen Kampfgruppe abgegeben und dafür wie verabredet die Handgranaten bekommen hatte. Diese deponierte ich in einer sicheren Ecke unseres Bunkers, den die Kämpfer schon in den Wochen vor der Aktion im Keller der Hauses errichtet hatten und von dem ich damals, als Zacharia meinen Arm mit dem Messer aufgeschlitzt hatte, nichts hatte erfahren dürfen.
    Jetzt war dieser nach Erde und Schweiß muffende Bunker meine Heimat und die meiner zehn Mitkämpfer. Wobei Kämpfer eine nicht ganz zutreffende Bezeichnung war. Noch hatte keiner aus unserer Gruppe gekämpft, die Exekutionen an jüdischen Verrätern waren von anderen Einheiten des ŻOB durchgeführt worden.
    Im Bunker wurde wenig gesprochen. Jeder von uns hatte Menschen verloren, die er liebte. Was machte es für einen Sinn, miteinander darüber zu reden? Jeder ertrug sein Schicksal, so gut es ging. Nur manchmal weinte nachts jemand im Traum. Einmal war es sogar Esther. Selbst die starke Esther konnte den Schmerz nicht vollends verdrängen.
    Ich war eines Nachts von ihrem Gewimmer wach geworden und sah in dem lediglich von einer Kerze schwach beleuchteten Bunker, wie sie sich im Schlaf krümmte. Aber es war nicht meine Aufgabe gewesen, sie in den Arm zu nehmen, sie tröstend aus dem Albtraum des Schlafes in den Albtraum der realen Welt zu überführen. Das übernahm Amos, der nachts immer bei ihr lag, allerdings nie Arm in Arm. Soweit ich es beurteilen konnte, schliefen die beiden auch nicht miteinander, ich hatte sie sich noch nicht einmal leidenschaftlich küssen sehen. Vielleicht taten sie so etwas außerhalb des Bunkers, irgendwo im Haus, aber ich glaubte das nicht wirklich. Amos und Esther wirkten eher wie zwei Menschen, die mit ihrer Mission verheiratet waren. Sie waren nicht innig ineinander verliebt.
    Ich registrierte das zwar alles, aber eigentlich war es mir einerlei. Den wilden Kuss mit Amos damals auf dem polnischen Markt hatte ein anderes Mädchen vor langer Zeit erlebt.
    In unserem Bunker lebte nur ein einziges weiteres Paar, Michal und Miriam. Die zarte Miriam war achtzehn Jahre alt, der bullige Michal der Älteste von uns mit vierundzwanzig. Ungleicher hätte ein Paar nicht sein können. Michal war Maurer gewesen und – freundlich ausgedrückt – nicht gerade ein intellektueller Mensch. Die wild gelockte Miriam hingegen war nicht nur schlau und belesen, sie war die Einzige, die ich kannte, von der man sich hätte vorstellen können, dass sie mal an einer Universität Professorin werden könnte, für Philosophie, Geschichte, Medizin, für einfach alles.
    Michal liebte Miriam abgöttisch, für ihn war sie der Sinn seines Daseins. Nicht etwa die Rache an den Schlächtern beherrschte seine Gedanken, sondern wie er Miriam Gutes tun, sie aufmuntern, ihren Schmerz um ihre verstorbenen Eltern lindern konnte.
    Miriam ihrerseits … nun, sie mochte Michal, das ja, wer könnte diesen herzensguten schlichten Kerl auch nicht mögen? Sie mochte ihn sogar noch mehr als wir anderen. Aber lieben? Lieben konnte sie ihn nicht. Kein Wunder, irgendwo da draußen in der Welt musste es Männer geben, die besser zu dieser klugen Frau passten. Das wusste auch Miriam, und dennoch war sie mit Michal zusammen.
    Und dann kam der Abend, an dem er um ihre Hand anhielt.
    Michal kniete sich vor unser aller Augen auf den Bunkerboden und hielt ihr einen schlichten goldenen Ring entgegen. Den hatte er nicht etwa aus einer verlassenen Wohnung gestohlen, bevor die Werterfassung ihn für das Deutsche Reich hätte einsammeln können, nein, der Ring hatte einst seiner Großmutter gehört.
    «Willst du …», fragte Michal Miriam mit leiser Stimme. Er war so aufgeregt, dass er sich verhaspelte, «dich … ich meine mich … heiraten?»
    Miriam antwortete, ohne auch nur

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