Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
28 Tage lang (German Edition)

28 Tage lang (German Edition)

Titel: 28 Tage lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
eine Arbeitserlaubnis hat, soll überleben. Aber darauf fällt keiner rein. Alle verstecken sich.»
    Niemand war mehr so verrückt, den Deutschen und ihren Versprechungen zu glauben.
    «Die Deutschen durchsuchen die Häuser. Wer gefunden wird, wird zum Umschlagplatz geschickt. Wer sich wehrt oder auch nur zu langsam mitkommt, wird erschossen.»
    «Was willst du jetzt tun?», fragte Esther. Sie begriff schneller als ich, dass Mordechai nicht gekommen war, um uns lediglich einen Lagebericht zu geben. Wir waren die Kampfgruppe, die am nächsten postiert war. Mordechai Anielewicz hatte etwas vor und wollte es so schnell wie möglich in die Tat umsetzen.
    «Nehmt eure Waffen.»
    «Was?», rutschte es mir erstaunt heraus.
    Esther warf mir einen strafenden Blick zu. Ich verstummte sofort.
    «Wir werden», erklärte Mordechai, «uns unter die Menschen mischen, die zum Umschlagplatz getrieben werden. Und auf mein Zeichen werden wir die Waffen ziehen und schießen.»
    Amos nickte entschlossen.
    Esther erklärte: «Ich hole die anderen.»
    Und ich … stand da wie gelähmt.
    Masada war für mich gekommen.
    Heute würde ich sterben.
    Töten.
    Und ich hatte eine solche Angst davor.
     
    Die Angst versuchte ich allerdings so gut wie möglich zu verbergen, als sich unsere Gruppe um die Druckerpresse versammelte und Mordechai fragte: «Wer geht mit mir?»
    Alle hoben die Hände. Auch ich. Das war das, worauf wir uns vorbereitet hatten. Der Kampf gegen die Deutschen. Es war eine Frage der Ehre, dabei sein zu dürfen. Ich hoffte nur, dass niemand bemerkte, dass meine Hand beim Melden zitterte.
    «Es gibt ein Problem», gab Esther geschäftsmäßig zu bedenken, als würde sie über einen Defekt an der Druckerpresse reden. Warum war sie so viel gefasster als ich? Wir hatten doch beide nichts zu verlieren.
    «Was für ein Problem?», fragte Amos ungeduldig, noch bevor Mordechai es tun konnte. So sehr brannte Amos darauf, in den Kampf zu ziehen, ganz egal, wie der Plan unseres Anführers genau aussah. Wenn der denn überhaupt einen besaß.
    «Wir haben nur fünf Pistolen und eine Handgranate. Die anderen Granaten, die wir von Breuls Gruppe bekommen haben, sind völlig unbrauchbar», antwortete Esther.
    «Ich geh in jedem Fall!», reagierte Amos am schnellsten auf die Tatsache, dass es keinen Sinn machte, wenn Unbewaffnete sich beteiligten.
    «Ich auch», erklärte Mordechai. Er war kein Anführer, der andere in den Tod schickte. Er führte sie bei dem heroischen Gang in den Selbstmord an.
    Michal hob die Hand. Miriam ebenfalls.
    «Nicht …», bat Michal sie, aber Miriam erwiderte: «Wo mein Mann hingeht, geh auch ich hin.»
    Nur noch eine Pistole war übrig. Nur ein weiterer aus unserer Gruppe würde also mitgehen können. Die logische Wahl war Esther. Sie war unsere Anführerin. Für sie war das so selbstverständlich, dass sie nicht mal mehr erklärte, dass sie die Fünfte sein würde, sondern gleich fragte: «Also, was ist der Plan?»
    Für einen Moment war ich erleichtert, dass ich nicht in den Kampf ziehen musste, wie immer der auch genau aussah. Ich würde noch weiterleben: ein paar Stunden. Ein paar Tage.
    Im nächsten Augenblick aber schämte ich mich für das Gefühl. Den anderen gegenüber. Aber vor allen Dingen den Toten gegenüber. Warum klebte ich so an meinem Gespensterleben? Um nachts vor dem Einschlafen von Spiegelmenschen, sprechenden Hasen und Hannah zu phantasieren?
    Hier aber wäre für mich die Gelegenheit gewesen, im echten Leben etwas Bedeutendes zu bewirken, Hannahs und meinem Leben und Sterben einen Sinn zu geben. Aber ich war zu feige, um mich so schnell freiwillig zu melden wie Amos, Michal und Miriam. Und nun würden die gemeinsam mit Mordechai und Esther in den Kampf ziehen.
    Doch da sagte Mordechai: «Du bleibst hier, Esther.»
    «Aber …», wollte diese protestieren.
    «Diese Gruppe wird weiterleben und braucht ihre Anführerin», unterbrach er sie mit einer solchen Autorität, dass Esther nicht widersprechen mochte. Ganz offensichtlich ging er davon aus, dass alle sterben würden, die mit ihm gingen. Bevor Mordechai erneut fragen konnte, wer sich ihm noch anschließen würde, meldete ich mich. Ich wollte mich nicht mehr schämen.

40
    Zu fünft gingen wir raus in die Kälte. Jeder hatte eine Pistole in Jacke oder Mantel versteckt, und Amos hatte darauf bestanden, die einzige funktionierende Handgranate zu nehmen.
    Meine Waffe trug ich in der Innentasche meiner dicken Jacke. Das schwere Metall drückte

Weitere Kostenlose Bücher