28 Tage lang (German Edition)
Polizist von uns Juden erschossen, was meine Drohung zwar nicht lächerlich erscheinen ließ, aber auch nicht ganz so überzeugend, wie ich es gerne gehabt hätte. Würde der polnische Polizist jetzt einknicken, weil seine Angst größer war als seine Gier? Oder würde er mich mit seinem Schlagstock zu Tode prügeln und sich über die Beute freuen?
Der Aasfresser entschied sich für eine dritte Möglichkeit. Er nahm meinen rechten Arm in den Polizeigriff. Ich keuchte vor Schmerz. Die Genugtuung, aufzustöhnen oder gar aufzuschreien, wollte ich ihm nicht geben.
«Wenn du dich wehrst, brech ich dir dein dünnes Ärmchen!»
Er drängelte mich die Straße herunter zu der jüdischen Bank, die vom Judenrat, den es immer noch gab, verwaltet wurde und in der Juden, die mit den Nazis zusammenarbeiteten, ihr dreckiges Geld bunkerten. Diese Bank zu bewachen war anscheinend die eigentliche Aufgabe des polnischen Polizisten. Er war nicht auf der Jagd nach Juden gewesen, ich war ihm lediglich, dumm, wie ich war, in die Arme gelaufen.
«Pawel!», rief der Aasfresser. «Pawel, hilf mir mal!»
Aus dem Bankgebäude trat ein weiterer Polizist. Groß. Mit Vollbart. Er war erstaunt, mich zu sehen. Der Aasfresser erklärte ihm: «Ich hab hier einen kleinen Schatz, und damit meine ich nicht das Mädchen.»
«Die wäre mir auch zu dünn», antwortete der Bärtige, der eine erstaunlich hohe Stimme besaß, und riss mir die Tasche aus der Hand. Dabei brach er mir fast die Finger. Wieder biss ich vor Schmerz die Zähne zusammen und keuchte.
Der Bärtige mit der Fistelstimme sah in die Tasche: «Für so was zahlen nur Juden viel Geld.»
Der Aasfresser stieß mich zu Boden und sagte: «Du kannst deinen Freunden sagen, für 200000 Złoty bekommt ihr die Tasche wieder.»
Ich starrte zu ihm hoch und damit das erste Mal in sein hässliches Gesicht mit den leicht angefaulten Zähnen. Er lachte und befahl: «Mach schnell!»
Ich rappelte mich auf und lief los. Doch gleich hinter der nächsten Ecke blieb ich stehen. Ich konnte so nicht zu Esther, Amos und den anderen zurückkehren. Nicht als eine, die einen simplen Auftrag vermasselt hatte und den Widerstand somit noch mehr Geld kostete. Damit würde ich endgültig beweisen, dass ich in ihrer Gruppe nichts verloren hatte.
Verzweifelt lehnte ich mich gegen eine Hauswand. Eine Windböe pustete mir Federn ins Gesicht. Auf denen hatte einst ein Jude sein Haupt gebettet, der jetzt vermutlich nur noch Asche war. Bei dem Gedanken an den Tod schloss ich die Augen und sah wieder Hannah in ihrer Blutlache vor mir. Nie mehr wieder würde sie eine Geschichte erzählen. Dafür musste ich nun selbst eine erzählen, wenn ich die Waffen wiederhaben wollte.
37
Ich wartete etwas, denn würde ich zu schnell reagieren, wäre meine Geschichte, die ich mir für die beiden Polen zurechtgelegt hatte, nicht glaubhaft.
Nach vielleicht einer halben Stunde ging ich zurück, und da der Türklopfer der Bank, ein Löwe aus Eisen, abgebrochen auf dem Boden lag, hämmerte ich mit der Faust gegen die schwere Holztür. Der bärtige Polizist schloss mir auf, und noch bevor er mit seiner hohen Fistelstimme nach dem Geld fragen konnte, ging ich an ihm vorbei in die Bank hinein. In der war es ziemlich dunkel, die Fenster waren allesamt mit Holz vernagelt, waren doch die Scheiben schon vor einiger Zeit, vermutlich während der Aktion, eingeschlagen und nachher niemals ersetzt worden – was machte es auch für einen Sinn, noch irgendetwas im Ghetto zu reparieren?
Der Kassenraum bestand im Wesentlichen aus zwei leeren Tresen. Die Geldschränke, in denen die jüdischen Kollaborateure ihr Geld bunkerten, standen in irgendeinem Hinterzimmer. Die Tasche mit den Waffen war auf dem verdreckten Boden abgestellt, daneben lagen Spielkarten im Staub – die Kerle hatten vermutlich neben ihrer Beute gesessen und schon mal um die vielen Złoty gespielt, die sie uns Widerständlern abpressen wollten.
Beide, der Aasfresser und die Fistelstimme, waren ziemlich erstaunt, dass ich durch den Raum flanierte, als ob mir die Bank gehörte. Noch erstaunter waren sie, als ich mit ruhiger Stimme erklärte: «Ihr gebt mir jetzt die Tasche.»
«Wo sind die 200000 Złoty?», fragte der Aasfresser.
«Die bekommt ihr nicht.»
Für eine Sekunde verschlug es beiden die Sprache. Die bärtige Fistelstimme fand sie als Erste wieder: «Was?»
«Ihr bekommt sie nicht», lächelte ich, als würde ich mit kleinen Kindern sprechen, die etwas schwer von Begriff
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