282 - Der Schein trügt
ein paar Medikamente für unsere morgige Sprechstunde zusammenmixen.«
Aber Rulfan fühlte sich nicht müde. Er beschloss nach Sainpeert zu fahren, um die Hauptstadt zu erkunden. Eve wünschte ihm viel Spaß. So startete Rulfan die Zündapp und tuckerte aus dem Dorf. Auf der nächsten Anhöhe hielt er an und blickte zurück - und glaubte in der Ferne seinen Vater und Sir Ibrahim Fahka in Begleitung eines weiteren Mannes auf einem Hügel stehen zu sehen. Der dritte Mann erinnerte ihn an den Schamanen des Barbarendorfes, aber das war auf diese Entfernung unmöglich festzustellen.
Rulfan setzte seinen Weg fort, über Stock und Stein quer durch den östlichen Inselteil bis nach Sainpeert. Ein holpriger Weg, der hauptsächlich aus zwei Fahrrillen bestand, führte über sanfte Hügel und durch Täler, die mit ihrer Vegetation aus Obst- und Feigenbäumen, Palmen, Beeren- und Tomatensträuchern bunten Gärten glichen. Auch kam Rulfan immer wieder an kleineren Waldstücken vorbei.
Einmal erblickte er am Waldrand, ungefähr hundertfünfzig Meter entfernt, zwischen den Bäumen plötzlich eine mit Fellmaske und Fellkleidern vermummte Gestalt, doch als seine Blicke nach dem nächsten Holperer wieder dorthin wanderten, war sie verschwunden.
Rulfan vergaß die Beobachtung rasch wieder. Sein Denken kreiste mehr um die Fregatte der Reenschas. Ihretwegen unternahm er diesen Ausflug, denn er glaubte ein paar gute Argumente zu haben, um mit dem Kapitaan ins Gespräch zu kommen.
Nach dem Fiasko in Glesgo musste es ihm doch endlich gelingen, Kontakt aufzunehmen! Wieder glitten seine Gedanken zurück in die…
***
Vergangenheit
Auf dem Rückweg von Glesgo traten unerwartete Schwierigkeiten auf. Eine abgehende Lawine hatte einen Pass verschüttet, sodass Rulfan gezwungen war, einen Umweg zu nehmen. Als er bei den Ruinen von Kilsyth durch felsiges Gelände ritt, schnaubte sein Horsay plötzlich nervös.
Rulfan, der im Sattel etwas gedöst hatte, bekam den Hengst nicht mehr rechtzeitig unter Kontrolle. Denn der stieg unvermittelt vorne hoch und schlug anschließend hinten aus, was dem Reiter einen kurzen Flug mit anschließender Landung im Schnee bescherte. Während der Hengst zwischen den Felsen verschwand, zog Rulfan, der mit einem Schlag wieder hellwach war, die Knie an und wuchtete sich mit einem gekonnten Schwung wieder auf die Beine. Sofort ging seine Hand zum Schwert. Er konnte jetzt die Gefahr förmlich riechen.
Taratzen!
Und da waren sie auch schon: Fünf, sechs, sieben erschienen um ihn her auf den Felsen; grauschwarze, menschengroße Biester mit verdreckten, verkrusteten, vereisten Fellen, zitternden Barthaaren und tückischen Knopfaugen, in denen sich die Freude auf den kommenden Blutrausch widerzuspiegeln schien. Scharfe Krallen zuckten unkontrolliert, Lefzen schoben sich nach oben und legten noch schärfere Reißzähne frei.
Die Taratzen zögerten. Rulfan stand leicht gebückt da, das Schwert in der Rechten, die Arme auf Hüfthöhe ausgebreitet. Sie schienen zu ahnen, dass sie hier einem gefährlichen, weil äußerst wehrhaften Gegner gegenüberstanden.
Doch dann schwemmte der Blutdurst alle Hemmungen weg. Wie auf ein unhörbares Signal hin stürzten sich die Biester fauchend von den Felsen und setzten auf Rulfan zu.
Der war jetzt eiskalt. Hochkonzentriert und mit gutem Auge ließ er sein Schwert wirbeln. Der Stahl fuhr in Taratzenkehlen und riss struppige Brüste auf. Der Albino duckte sich geschickt unter einer Klaue hinweg und rammte dabei einem Gegner den Stiefel in den Unterleib. Er beging nicht den Fehler, in die Körper der Biester zu stechen, weil das sein Schwert blockiert hätte, teilte ausschließlich schnelle Hiebe aus.
Gleich darauf fiel ein Taratzenarm in den Schnee. Das Kreischen und Quieken gellte dem Albino unerträglich in den Ohren. Dann wurde der Mann mit dem weißen Langhaar selbst verletzt: Eine Kralle fetzte ihm den linken Handrücken auf.
Trotz des Blutgeruchs, der sie fast rasend machte, zögerten die verbliebenen Taratzen, den Angriff fortzuführen. Zu groß waren ihre Verluste inzwischen. Schließlich fielen sie über ihre verletzten und toten Artgenossen her und zerrissen sie auf grausamste Weise.
Rulfan wusste, dass er keinen wirklichen Sieg errungen hatte. Dies hier war nur ein kleiner Teil des Rudels gewesen; weitere Taratzen befanden sich in der Nähe. Er musste weg hier, irgendwohin, wo er in Ruhe seine Wunde versorgen konnte. Er zog den Driller und verschaffte sich zusätzlichen
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