Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
283 - Der Zorn der Königin

283 - Der Zorn der Königin

Titel: 283 - Der Zorn der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
Vom Netzwerk:
Majestät«, erklärte er dem erschöpften José immer wieder. »Versucht an etwas Schönes zu denken, und bei Luftnot atmet in den Papierbeutel.«
    Während jetzt Äste und Zweige erneut über die Zeltplane scharrten und die Erinnerungen der Katastrophe wie wilde Tiere durch seinen Geist strichen, kämpfte José gegen seine aufkeimende Angst. Wie eine zentnerschwere Last schien sie auf seiner Brust zu kauern. Schweiß kroch aus allen Poren. Panisch griff er nach der Tüte neben seinem Lager und atmete hinein. Etwas »Schönes« wollte ihm nicht einfallen. So dachte er an die Aufzeichnungen, in denen er die Daten der landesweiten Umfragen dokumentierte. Beobachtungen über die Naturkatastrophe: die Dauer des Bebens, die Anzahl der Nachbeben, die verursachten Schäden, besondere Verhaltensweisen der Tiere vor dem Beben und Besonderheiten in Brunnen und Wasserlöchern.
    Besonders die letzten Punkte waren ihm wichtig, hatten doch manche Quellen ein ungewöhnliches Innehalten gezeigt und viele Tiere offenbar die drohende Gefahr gespürt. Vor der Ankunft des Tsunami waren Letztere in höher gelegene Gebiete geflüchtet.
    Ausgerüstet mit solcherlei Informationen, hoffte der König Vorkehrungen treffen zu können, um bei einer zukünftigen Katastrophe gewappnet zu sein. Diese Arbeit war zurzeit das Einzige, womit er seinem Volk dienen konnte. Für das Regierungsgeschäft und die Organisation der Aufbauarbeiten war er nicht zu gebrauchen.
    Als der Anfall vorbei war, legte José die Tüte beiseite. Erschöpft schloss er die Augen. Noch einige Augenblicke ruhen, dann mache ich mich wieder ans Werk. Und während er in einen erlösenden Schlaf fiel, tauchte Xij Hamlet wieder auf und vertrieb den Portugiesen aus ihrem Geist.
    ***
    Mitte November, London
    Vier Tage waren vergangen seit dem Zusammenbruch der Queen. Schneller als gedacht erholte sie sich von dem Schock, den die wiedergekehrte Erinnerung bei ihr ausgelöst hatte. Wahrheitsgemäß berichtete sie danach Valery Heath alles, was sie noch wusste.
    Die Schatten blieben für beide ein undurchsichtiges Phänomen. Aber zumindest war nun klar, dass Commander Drax nicht gelogen hatte, was die Versteinerten anging. Die ehemalige Octavian bat Victoria um Blutproben, von denen sie sich wohl nähere Aufschlüsse erhoffte. Die Lady tat ihr den Gefallen. Überhaupt tat sie alles, um kooperativ zu wirken. Doch obwohl sich die Demokraten und deren Anhänger inzwischen der Queen gegenüber freundlich zeigten, ließ sich keiner von ihnen in die Karten schauen.
    Besonders Claudius Merylbone demonstrierte täglich sein Misstrauen. Wie ein Geist tauchte er plötzlich vor ihrer Unterkunft auf oder kreuzte ihren Weg zur Krankenstation. Ich lasse dich nicht aus den Augen , schien sein finsterer Blick ihr sagen zu wollen. Der Techniker vermutete wohl immer noch, dass der wiedererwachte Sir Leonard irgendwo in der Stadt untergekrochen war und sie ihn mit Informationen über die Demokraten versorgen sollte.
    Victoria Windsor versuchte ihn zu ignorieren. Gemeinsam mit Enna machte sie sich auf der Krankenstation nützlich, in der auch die Bewohner Londons ärztlich versorgt wurden.
    Vor zwei Tagen war hier der Neffe des Lordsanführers gestorben. Unbemerkt hatte Lady Victoria das Amulett des Jungen an sich genommen. Danach ließ sie seine Leiche verbrennen. Niemand außer ihr und Enna wusste, zu wem das Kind gehört hatte. »Die Angehörigen sind bei einem Kwöötschiangriff ums Leben gekommen«, hatte die Queen den Technos glaubhaft erklärt.
    Die Fischersfrau würde diese Lüge nicht richtigstellen. Ihr einziges Interesse galt der baldigen Weiterreise. Victoria versicherte ihr immer wieder, dass es bald so weit sei. »Die Technos sind bereits dabei, den Zweimaster für unseren Aufbruch instand zu setzen.« Wenigstens das war eingetroffen: Das Schiff, mit dem die Verräter nach London zurückgekehrt waren, lag im Hafen vor Anker.
    Enna nahm die Vertröstungen klaglos hin. Die inzwischen stark abgemagerte Frau sprach nur noch selten. An ihren toten Mann schien sie sich kaum noch zu erinnern. Als ob eine innere Uhr in ihr tickte, erschien sie jeden Morgen zur gleichen Zeit auf der Krankenstation und zog sich nach dem Abendessen sofort in ihre Unterkunft zurück. »Ich muss ausgeruht sein, wenn wir zu unserem Ziel im Osten aufbrechen«, erklärte sie der Queen, die sie einmal mitnehmen wollte zu einem Dinner mit Valery Heath und Mars Hawkins. »Ich brauche Schlaf und kein Vergnügen.«
    Auch Lady

Weitere Kostenlose Bücher