283 - Der Zorn der Königin
besessen…?
Aruulas Berührung riss ihn aus seinen Gedanken. Schwach stützte sich ihre Hand auf seine Schulter. Als er aufsah, erschrak er. Das Gesicht der Barbarin hatte eine grünliche Färbung angenommen. Ein matter Schimmer lag in ihren Augen und die schön geschwungenen Lippen waren bleich. Die Seekrankheit hatte sie schwer mitgenommen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Matt wollte aufstehen, sie in die Arme nehmen und in ihre Koje bringen. Doch die Barbarin hielt ihn zurück. Erschrocken deutete sie auf Xij. »Maddrax, sie erstickt!«
Erst jetzt bemerkte Matt, wie Hamlet stoßweise nach Luft rang. Ihre Gesichtshaut wirkte talgig und unzählige Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Sie hyperventiliert! Schnell sprang er auf und in die Kombüse. Nachdem er mehrere Fächer und Schubladen der eingebauten Schrankvorrichtung aufgerissen hatte, fand er endlich, was er suchte: eine Plastiktüte. Er leerte den Inhalt - irgendwelche Vitaminpillen - in die Spüle.
Als er zurück bei den Frauen war, neigte sich der Amphibienpanzer unter der Wucht eines Brechers gefährlich zur Seite. Matt fand Halt im Türrahmen und konnte gerade noch Aruula auffangen, die das Gleichgewicht verloren hatte. Ihr halbnackter Körper fühlte sich kalt an. Unmöglich konnte er ihr die kranke Xij überlassen. Aruula gehörte selbst ins Bett und brauchte Pflege.
Doch wie sollte er das alles bewerkstelligen? Sein Blick flog zwischen den beiden Frauen und dem Cockpit hin und her. Zu seinen Füßen zog Hamlet pfeifend die Luft ein.
Aruula drückte ihn sanft von sich weg. »Geht schon wieder. Kümmere dich um sie.«
Matt half ihr, auf den Boden Platz zu nehmen. Dann hielt er Xij die Öffnung der Tüte vor Mund und Nase. »Atme kräftig hier rein!«, forderte er sie auf.
Die junge Frau gehorchte. Das Plastikmaterial zog sich knisternd zusammen und blähte sich wieder auf. Zunächst hektisch, dann im gleichmäßigen Tempo. Nach einer Weile kehrte die Farbe in Xijs Gesicht zurück. Über den Rand der Tüte warf sie Matt einen verwunderten Blick zu. Dann schwanden ihr die Sinne und sie sank hintenüber.
Matthew hob sie hoch und trug sie zu ihrer Koje.
***
Xij Hamlet spürte die harte Matratze unter ihrem Rücken. Ihr Blick tastete über weiße Zeltwände, die sie umgaben. Draußen heulte der Wind. Ein Maulesel schrie und Kinderlachen ertönte. Eine wütende Männerstimme wurde laut. »Lasst das Tier in Frieden oder ich ziehe euch die Hammelbeine lang!« Irgendwo schlug ein Hammer auf Eisen. Ganz in der Nähe durchpflügten schwere Räder die steinige Erde. Schrittlärm näherte sich. »Majestät, alles ist bereit.«
Gebannt starrte Xij auf die Zeltwände. Doch niemand trat ein. Die Geräusche verebbten und es wurde still. Dann drangen wie aus der Ferne die Stimmen von Matt und Aruula an ihr Ohr. Sie flüsterten miteinander. Flüsterten über sie . Eine schwache Erinnerung blitzte auf: tosende Wellen, das Schlingern und Schwanken des Panzers, blinkende Lichter auf der Computerkonsole. Und schlagartig wusste sie, dass die Wände um sie herum nicht aus hellem Leinentuch waren, sondern aus Kunststoff. Immer noch befand sie sich im Amphibienpanzer. Auf dem Meer. Im Sturm. Ohne Aussicht auf einen Hafen, in dem sie sich ihr rotes Pulver besorgen konnte.
Plötzlich war Matt bei ihr und beugte sich über sie. Seine Augen so blau wie der Himmel an einem Sonnentag in Santa Maria de Belém , dachte sie. Santa Maria de Belém? Er stützte ihren Kopf und sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Warum nicht? Panik stieg in ihr auf: Sie war noch nicht wieder in der Realität angekommen!
Dann spürte sie den kühlen Rand eines Bechers an ihren Lippen. Gehorsam trank sie. Unter dem bitteren Geschmack zogen sich die Mundschleimhäute zusammen. Aruulas Heiltrank! Seine Wirkung würde bald einsetzen und ihr helfen, dem Albtraum für einige Stunden zu entkommen. Diesem Albtraum, den sie schon seit Tagen durchlitt.
Jetzt legte Matt ihren Kopf zurück auf das Kissen. Wieder sprach er unverständliche Worte. Seine Stimme klang beruhigend. Er richtete sich auf und kehrte ihr den Rücken. Sie wollte ihn zurückhalten, wollte ihm mitteilen, dass sie hier war. Hier, in dieser fremden anderen Welt. »Geh nicht! Lass mich nicht alleine!«, rief sie. Doch alles, was über ihre Lippen kam, waren die portugiesischen Satzfetzen von dem Kerl aus ihrer Vision. Der Kerl, dessen Präsenz sie umschloss wie ein Fangnetz das hilflose Wild. Erst nur
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