287 - Meister der Lüge
es aber, jegliche verräterische Mimik zu vermeiden. »Agartha? Was soll das sein?«, gab er zurück. Sein Verstand arbeitete noch immer zuverlässig. Würden Erleuchtete , die Meister Chan beauftragt hatte, so eine Frage stellen?
»Wir wissen, dass dein Herr, dieser Meister Chan, etwas mit Agartha zu tun hat. Und wir wissen, dass du mit ihm darüber gesprochen hast. Wir wollen nun von dir wissen, wo dieser Ort liegt. Nur wenn du uns eine befriedigende Auskunft gibst, kannst du dein Leben noch retten. Ansonsten lassen wir dich eines qualvollen Todes sterben. Lüge uns aber nicht an, denn wir würden es sofort merken.«
»Ihr seid keine Erleuchteten , nicht wahr?« Alastar musste sich zusammennehmen, um nicht vor Kälte mit den Zähnen zu klappern. »Oder seid ihr es etwa doch und damit Verräter an Meister Chan? Wollt ihr mit eurer Wortwahl nur davon ablenken?«
»Wir wollen von dir wissen, was du über Agartha weißt, Alastar. Wo liegt es? Wer regiert es? Welche Reichtümer lagern dort?«
»Ich sagte bereits, dass ich es nicht weiß. Meister Chan hat mit mir nicht über dieses Agartha gesprochen.«
»Das glauben wir nicht. Irgendwann wirst du reden, Alastar, denn deine Schmerzen werden unerträglich sein. Rede also lieber gleich und erspare sie dir.«
Der Chefexekutor dachte nicht daran. So fesselten sie ihm auch die Beine und ließen ihn einfach auf dem Boden liegen. Der Jüngere setzte sich im Lotussitz vor ihn hin und starrte ihn die ganze Zeit unverwandt an. Dabei bewegte er sich keinen Millimeter. Nur sein Brustkorb hob und senkte sich leicht.
Viele Stunden vergingen. Alastars Arme waren längst eingeschlafen, das Taubheitsgefühl und das unangenehme Kribbeln reichten bis in die Schultern. Er fühlte eine derartige Kälte in seinem Körper, dass er glaubte, wie ein Eiszapfen auseinanderzubrechen, wenn ihn nur jemand berührte.
Noch schlimmer aber war das ständige Starren des Glatzkopfs. Der Chefexekutor bekam das unangenehme Gefühl, das sich mit steigender Wut mischte, kaum noch in den Griff. Da half es auch nichts, dass er krampfhaft an andere Dinge zu denken versuchte und woanders hinschaute. Niemals hätte er für möglich gehalten, dass jemand zu solcher Körperbeherrschung fähig war.
»Was weißt du über Agartha?«, fragte der Rostrote so unvermittelt, dass Alastar zusammenschrak.
»Nichts«, zischte er zurück und fühlte sogar so etwas wie Dankbarkeit für den kleinen Wortwechsel.
Irgendwann erschien der Ältere wieder, mit frisch gebratenem Fleisch und einem Trinkschlauch voll frischen Wassers. Genüsslich aßen und tranken die beiden vor ihrem Gefangenen. »Sag uns, was du über Agartha weißt, und wir teilen Fleisch und Wasser mit dir.«
Alastar geriet für einen kleinen Moment in Versuchung, sein Wissen preiszugeben.
Aber in den letzten Stunden war ihm ein anderer Gedanke gekommen: Was, wenn die Glatzköpfe im Auftrag Meister Chans seine Verschwiegenheit testeten? Dann würden sie ihn sicher sofort töten, wenn er redete. Also schwieg er weiter.
Seine Peiniger wechselten sich ab. Nun setzte sich der Ältere vor ihn hin und starrte ihn an, während der Jüngere die Höhle verließ. So ging das vier-, fünfmal. Dann machten die Glatzköpfe auch noch ein Feuer in der Höhle, wahrscheinlich, um seine Dehydrierung zu beschleunigen.
Alastar, der immer wieder Hustenanfälle durch den abziehenden Rauch erlitt, hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Sein Körper war nur noch ein einziger Schmerz, mit kaltem Schweiß bedeckt und unablässig zitternd. Die Zunge in seinem Mund war ein trockener Klumpen, durch den Flüssigkeitsverlust begannen seine Gedanken schleppend zu werden und hin und wieder sogar kurz auszusetzen. Einmal hatte er sein Wasser laufen lassen müssen, wofür er die Glatzköpfe ganz besonders hasste. Aber noch war sein Wille nicht gebrochen, noch lange nicht.
Dafür töte ich euch, wenn ihr mir nur die kleinste Gelegenheit gebt…
Als der Jüngere bereits zum siebten oder achten Mal da saß, bemerkte Alastar, dass dessen Konzentration nachließ. Für einige Augenblicke fielen seine Augen zu. Und wieder… und wieder. Schließlich hob und senkte sich seine Brust regelmäßig.
Auf diesen Moment hatte der Chefexekutor gewartet. Vorsichtig wälzte er sich auf den Rücken, darauf bedacht, nur kein Geräusch zu verursachen. Doch es war unmöglich. Der Schmerz, als er sich drehte, war so groß, dass er leise aufstöhnte. Sofort war der Rostrote wieder wach.
Alastar ließ sich
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