287 - Meister der Lüge
Agartha gehen, und auch die Reenschas und ihre Truppen können mich nicht daran hindern.«
Er lachte schaurig, obwohl ihm die Schmerzen dabei fast die Besinnung raubten.
***
Mitte Oktober 2526, Canduly Castle
»Weißt du was, Turner? Wenn du mich fragst, ist gerade ganz schön dicke Luft hier.« Wyett grinste schief. »Vor allem deine Schwester, die Myrial, hat echt 'ne Scheißlaune. Die schaut ja nur noch griesgrämig. Und vorher hab ich sie mit Rulfan streiten hören. Die will nicht, dass er mit dem Luftschiff wegfliegt.«
Turner nickte. »Hast du also mal wieder gelauscht.« Er lachte glucksend. »Ja, ich weiß, dass Myrial sauer ist. Schließlich kriegt sie bald ein Kind und Rulfan soll hierbleiben, um ihr beim Aufziehen zu helfen. - Aber so sind wir Männer nun mal nicht, was, Wyett?«, fügte er altklug an und blickte von der Turmzinne hinunter auf die Burgbewohner, die das Luftschiff wie aufgeregte Andronen umschwärmten. »Wir brauchen das Abenteuer, die Freiheit, den Kampf. Und nicht so was wie Kinder großziehen. Das ist nur was für die Wooms.«
»Seh ich auch so.«
Sie klatschten sich ab.
»Ich glaub, dass Nimuee eher auf Myrials Seite ist«, fuhr Wyett fort. »Die reden ständig miteinander. Und irgendwie hab ich auch das Gefühl, dass unser König Jed auch nicht so begeistert von Rulfans Idee ist. Aber ich versteh's gut, dass er nach seinem Vater suchen will. Ich würd auch nach meinem Dad schauen wollen, wenn ihm was Schlimmes passiert war.«
Turners Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Für einen Moment dachte er an seinen Vater Pellam, der von Ninian ermordet worden war.
»Oh, entschuldige, ich wollte nicht…«
»Schon gut.« Turner winkte ab. »Ist eben, wie's ist. Sterben müssen wir alle mal.«
»Müssen wir, ja. Komm, lass uns runtergehen. Nimuee will gleich das Luftschiff taufen und ihm Arfaars Segen geben. Das ist sicher lustig, da möchte ich dabei sein.«
»Klar wird das lustig.« Turner konnte schon wieder grinsen.
Sie gingen hinunter vor die Burg. Dort liefen sie als Erstes König Jed Stuart über den Weg. Der trug einen Vollbart, schulterlange Haare und sah die Jungen nachdenklich an.
»Schlechte Nachrichten: Die, hm, Luftschifftaufe muss ausfallen«, sagte er in seiner eigenartigen Sprechweise, die mit »Ähs«, »Hms« und »Nuns« durchsetzt war. »Irgendwer hat die, äh, Flasche Brabeelenwein ausgetrunken, mit der Nimuee das Luftschiff, hm, taufen wollte.« Er fixierte die beiden Jungs. »Ich habe, nun, euch beiden im Verdacht!«
Wyett zog eine entsetzte Miene. »Aber das würden wir nie tun! Ganz ehrlich nicht!«
Der König grinste plötzlich breit und Turner begann zu kichern. »Reingefallen«, sagte er. »Du kennst die Scherze unseres Königs nicht so gut wie ich, Wyett. König Jed wollte uns bloß reinlegen, stimmt's?«
Jed Stuart nickte. »Du kennst mich schon viel zu gut.«
»Mir macht eben niemand was vor«, prahlte Turner. »Wenn wir erwachsen sind, kannst du uns als Spione in deinen Dienst nehmen, König Jed.«
»Darüber reden wir noch«, bremste Jed den Eifer des Jungen. »Jetzt taufen wir erst mal, nun, das Luftschiff.«
In diesem Moment erschien Nimuee in einem langen gelben Kleid, mit einem Blumenkranz im schwarzen Haar und einem Krug Brabeelenwein in der Hand. Sie küsste Jed und schritt mit feierlichem Gesichtsausdruck zum Luftschiff hinüber, um das sich nun auch die Burgbewohner versammelten.
Nimuee stellte den Weinkrug vor sich hin. Dann hob sie beide Arme in die Höhe. Sie schaute Rulfan an, der dicht hinter Myrial stand und seine Arme um deren Bauch geschlungen hatte, danach Patric Pancis, der irgendwie verlegen dreinblickte, und schließlich alle, die hierher gekommen waren, um an der Zeremonie teilzunehmen.
»O großer und mildtätiger Arfaar! Du Glückbringer, Beschützer aller Schwachen, Wächter der Gerechtigkeit!«, rief sie dann. »Schaue hernieder auf deine Kinder und beschütze jene, die in deinem Namen unterwegs sind…«
Nimuee rezitierte die vorgeschriebenen Arfaar-Formeln, die sie einst selbst entworfen und im Laufe der Jahre weiter verfeinert hatte. Dabei schaute sie immer wieder Rulfan an. Dann bat sie Arfaar, auch dem neuen Luftschiff seinen Segen einzuhauchen, das sie in seinem Namen und auf Rulfans Wunsch hin MYRIAL taufe. Anschließend malte sie mit dem Brabeelensaft fünfmal Arfaars Zeichen auf die offene Einsitzer-Gondel.
»Amen«, flüsterte Jed Stuart, der einst Arfaars persönlicher Berater gewesen war und so
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