2889 - Schüsse aus dem Nichts
Verdächtige.
»Joyce Hollow alias Julie Connors war ja auch ein sehr gut geeignetes Opfer für eine Erpressung, nicht wahr? Obwohl New York City eine sehr tolerante und weltoffene Stadt ist, hätte dieser Frau ihre Vergangenheit als krimineller Fürsorgezögling sicher sehr geschadet. Man könnte auch sagen: Ihre Karriere wäre beendet gewesen. Aber Sie kannten doch Joyce Hollow sozusagen von Kindesbeinen an, Miss Conroy. Hatten Sie gar keine Angst, dass sie zurückschlagen könnte? Sie wussten doch, wozu sie fähig war.«
Tabea Conroy wich meinem Blick aus. In diesem Moment wirkte sie viel jünger, als sie eigentlich war.
»Ja, wir hätten es besser wissen müssen. Schließlich haben Kea, Joyce und ich gemeinsam wirklich schlimme Dinge getan, damals in Wisconsin. Aber gerade deshalb konnten wir uns nicht vorstellen, dass Joyce sich direkt gegen uns wenden würde. Wir waren doch die Deadly Sisters .«
Ich runzelte die Stirn. Diese Frau zeigte eine verblüffende Mischung aus Raffinesse und Naivität, wie man sie öfter bei Verbrechern bemerkt. Einerseits hatte sie sich genau überlegt, dass sie ihrer ehemaligen Freundin die Pistole auf die Brust setzen wollte. Andererseits war sie sich über die Folgen dieser Erpressung offenbar gar nicht im Klaren gewesen.
»Erzählen Sie uns, wie es weiterging.«
»Okay, wir nahmen also Kontakt mit Joyce auf. Das war nicht schwer, denn im Internet hat sie als PR-Beraterin Julie Connors eine tolle Homepage mit allem Drum und Dran. Joyce fiel aus allen Wolken, als ich sie anrief. Sie wusste sofort, wer ich war. Und sie benahm sich ziemlich kaltblütig, das muss ich sagen. Wahrscheinlich hat sie sofort gemerkt, dass Kea und ich nicht die alte Freundschaft wieder aufwärmen wollten.«
»Kam es dann zur Erpressung?«
»Ja, und die erste Geldübergabe ging total problemlos über die Bühne. Vielleicht sind Kea und ich danach zu unvorsichtig geworden. Wir hatten von Joyce gefordert, dass sie 20.000 Dollar in einen bestimmten Mülleimer im Prospect Park legen sollte. Kea und ich hatten uns in der Nähe versteckt. Sie kam wirklich pünktlich dorthin und warf eine braune Papiertüte fort. Dann verschwand sie wieder. Wir warteten einige Minuten, dann holten wir unsere Beute. In der Tüte waren wirklich 20.000 Mäuse. Ende der Geschichte.«
»Nicht ganz«, meinte Phil. »Während Joyce Hollow wegfuhr, befand sich ihr Komplize irgendwo in der Nähe vermutlich ebenfalls auf Beobachtungsposten. Er musste Ihnen beiden nur folgen, um Ihre Adressen und Ihre Lebensumstände auszuspionieren.«
Tabea Conroy biss sich auf die Unterlippe und starrte den blonden G-man entsetzt an.
»Joyce’ Komplize, Agent Decker? Meinen Sie diesen … Gardner oder wie der heißt?«
Phil nickte.
»Bisher wissen wir nur von ihm, dass er auf Sie und Kea Swanson geschossen hat. Natürlich ist es auch möglich, dass Joyce Hollow noch mehr Handlanger hatte. Aber in diesem Geschäft sollte man so wenige Mitwisser wir möglich haben, oder?«
»Ja, wahrscheinlich«, murmelte die Verdächtige. »Verflixt, wir haben uns das alles viel zu einfach vorgestellt.«
»Wann fand die Geldübergabe eigentlich statt?«, hakte ich nach.
»Fünf Tage, bevor auf Jerome Feathers und mich geschossen wurde.«
Es passte alles zusammen. Gardner hatte ein wenig Zeit gebraucht, um für seine Auftraggeberin Joyce Hollow die beiden Erpresserinnen auszukundschaften. Dann musste er nur noch zur Waffe greifen. Aber es blieben trotzdem noch Fragen offen.
»Warum sind Sie eigentlich untergetaucht, nachdem auf Sie gefeuert worden war?«
»Ich war völlig panisch, Agent Cotton. Ich wusste ja nicht, wer mir ans Leder wollte. In der Drogenszene hatte ich mir eigentlich keine Feinde gemacht, aber da kann man sich nie so sicher sein. Außerdem war es ja immer noch möglich, dass es jemand auf Feathers abgesehen hatte und nicht auf mich. Aber als ich dann mitbekam, dass Kea abgeknallt wurde, da war mir klar, dass dieses Miststück Joyce hinter den Schüssen steckte.«
»Wo haben Sie sich eigentlich aufgehalten?«
»Hier und da. Ich muss Ihnen die Leute ja nicht ans Messer liefern, die mir Unterschlupf gewährt haben.«
Ich nickte. »Und was ist mit diesem Owen, den Sie im Diner getroffen haben? Wollten Sie bei dem auch Unterschlupf finden?«
Tabea Conroy zwinkerte mir zu.
»Vielleicht. Ehrlich gesagt fehlte mir männliche Gesellschaft. Ich kannte ihn schon eine Zeitlang und habe ihm mein Herz ausgeschüttet. Ich finde ihn nämlich
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