2895 - Zeugen leben nicht lange
flachen Hand vor die Stirn und nickte meinem Partner anerkennend zu. Auf diese gefährliche Gangsterorganisation hätte ich auch von allein kommen können.
»Sollte di Razzo einer der neuen Statthalter in den USA sein?«, fragte ich.
Es hatte in der jüngeren Vergangenheit einige Versuche dieser Geheimgesellschaft gegeben, auch in verschiedenen Städten der USA Niederlassungen aufzubauen. Der Einfluss der ’Ndrangheta reichte mit Sicherheit aus, um einem ihrer führenden Mitglieder den Posten eines Konsuls zu verschaffen.
»Wenn ja, würde es viele Dinge erklären«, antwortete Phil.
Möglicherweise war Garth zufällig auf das gefährliche Geheimnis seines ehemaligen Studienfreundes gestoßen und hatte eine dumme Erpressung versucht.
»Was wäre, wenn Garth dieses Wissen nutzen wollte, um so seinen Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen?«, fragte ich.
Im Handumdrehen entwarfen Phil und ich eine Theorie, die alle offenen Fragen beantwortete. Wir baten eine Stunde später um einen dringenden Termin bei Mr High, der unbedingt von dieser Wendung erfahren musste. Als wir ihm die mögliche Aufdeckung eines Anführers der ’Ndrangheta in New York aufzeigten, reagierte der Chef höchst alarmiert.
»Das wäre in der Tat ein ausreichender Grund für den brutalen Überfall. Diese Organisation verfügt über die erforderlichen Mittel und würde auch nicht zögern, Angehörige des FBI zu töten«, sagte er.
Es war eine Wendung, mit der wir kaum mehr gerechnet hatten. Für die weiteren Ermittlungen wollte Mr High eine Ermittlergruppe unter Steve Dillaggios Führung einsetzen. Jetzt ging es nicht mehr nur um eine beliebige Gruppe von Gangstern, sondern um eine extrem gefährliche Gangsterorganisation.
»Sie und Phil verfolgen die Spur an der Universität weiter. Wir müssen herausbekommen, wann di Razzo sein Studium aufgenommen hat und welche Freundschaften er gepflegt hat«, ordnete Mr High an.
Langsam nahmen die Ermittlungen wieder an Fahrt auf. Phil und ich meldeten uns in Yale an, um am folgenden Tag vor Ort mit der Verwaltung der Universität sprechen zu können. Unser Flug nach New Haven sorgte dafür, dass Phil und ich eine kurze Nacht hatten. Wenn alles klappen würde, wollten wir am gleichen Nachmittag zurück in New York sein.
***
Salvatore di Razzo ahnte, dass der Besuch des FBI sein Leben drastisch zu verändern drohte.
»Nicht nach so vielen Jahren«, murmelte er.
Sein Blick nahm die Baumspitzen des Central Park kaum wahr, während der Konsul auf dem breiten Balkon stand und an seiner Zigarre zog. Er musste einen Weg finden, um die Neugier des FBI in eine andere Richtung zu lenken. Zum Glück verfügte di Razzo über sehr viele nützliche Kontakte und Menschen, die ihm noch einiges schuldig waren.
»Kann ich noch etwas für Sie tun, Sir?«, fragte seine Sekretärin.
Der Konsul wandte sich um und schüttelte mit einem warmen Lächeln den Kopf.
»Nein, gehen Sie ruhig nach Hause. Richten Sie Ihrem Sohn bitte meine Glückwünsche aus«, antwortete er.
Salvatore di Razzo war ein aufmerksamer Chef, der auch an die Geburtstage der Kinder seiner Sekretärin dachte. Sie dankte ihm ebenfalls mit einem herzlichen Lächeln und verließ gleich darauf das Büro. Der Konsul wartete noch einige Minuten, um ganz sicher sein zu können. Di Razzo wollte auf keinen Fall riskieren, dass seine Angestellte das folgende Telefonat belauschen konnte.
»Ja, Salvatore di Razzo. Verbinden Sie mich mit Pietro«, forderte er.
Sein Gesprächspartner war zwar überrascht, vom Konsul zu hören, aber er würde der dringenden Bitte di Razzos selbstverständlich nachkommen.
»Betrachten Sie die Angelegenheit als erledigt«, versprach Pietro.
Damit war das Telefonat auch schon zu Ende. Danach schenkte er sich einen exklusiven Grappa ein und trank das Glas mit dem hochprozentigen Schnaps in einem Zug aus.
»Vielleicht sollte ich lieber auf Nummer sicher gehen«, dachte er.
Mit dem ersten Anruf würde er das FBI auf jeden Fall beschäftigen und für eine Weile von seiner Person ablenken. Um die Ermittler endgültig auf eine andere Spur zu bringen, konnte der Konsul einen weiteren Gefallen einfordern. Für dieses Gespräch musste er jedoch einen speziellen Klub aufsuchen, da er seinen Gefallen nur persönlich einfordern konnte. Es missfiel Salvatore di Razzo, dass er sich dermaßen exponieren musste.
»Aber besser jetzt als später«, murmelte er.
Sollte sein erster Plan nicht ausreichen, würde ein späteres Eingreifen wesentlich
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