2895 - Zeugen leben nicht lange
einen Studenten, der angeblich sehr viel Zeit mit ihnen verbracht hat«, antwortete ich.
Jetzt wurde auch mein Partner hellhörig.
»Hast du schon Informationen zu dem dritten Studenten eingeholt?«, fragte er.
So weit war ich noch nicht, und eine halbe Stunde später musste ich den nächsten Rückschlag hinnehmen.
»Luca Guerneri ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Im letzten Studienjahr ist er bei einem Raftingausflug ertrunken«, sagte ich.
Phil war längst nicht mehr so skeptisch und ging immer mehr auf meine Ahnungen ein.
»War es wirklich ein Unfall oder verbirgt der Konsul da etwas?«, fragte er.
Diesen verlockenden Gedanken hatte ich auch gehabt und war der Sache auf den Grund gegangen.
»Nein, da bestehen keine Zweifel. Guerneri ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, wie auch die spätere Obduktion belegt hat. Es gab insgesamt vierzehn Zeugen«, erwiderte ich.
Es musste einen anderen Grund geben, warum der Konsul seine Verbindung zu Thomas Garth kleinreden wollte.
»Möglicherweise hat er nur Angst davor, in den Medien mit dem Anschlag in Verbindung gebracht zu werden«, schlug Phil vor.
Das war durchaus denkbar und angesichts seiner hervorgehobenen Position auch nicht ungewöhnlich. Doch meine Instinkte blieben hartnäckig und zwangen mich dazu, dieser dünnen Spur weiter nachzugehen.
»Machen wir für heute Feierabend, Phil. Ich grabe morgen weiter und sehe dann, wohin es uns führt«, sagte ich.
Wir verließen zehn Minuten später das Field Office und fuhren hinüber auf die Upper West Side.
***
Der folgende Tag überraschte New York mit einer heftigen Wetterverschlechterung. Die Ausläufer eines Wirbelsturms brachten kräftigen Wind und Starkregen.
»Der perfekte Tag, um sich hinter seinem Schreibtisch zu verkriechen«, sagte Phil.
So war es, und wir stürzten uns erneut in unsere Schreibtischarbeit. Da unsere Kollegen kein Motiv für den grausigen Anschlag im Safe House im Umfeld von Thomas Garth gefunden hatten, war sein Leben auch nur oberflächlich beleuchtet worden. Für mich bedeutete es, dass ich mir sein Mobiltelefon, seinen Laptop sowie alle Unterlagen in seiner Wohnung genauestens ansehen musste. Da Garth Junggeselle gewesen war, hatte sich bislang niemand um die Herausgabe der Beweismittel gekümmert. Ich ließ mir die Kartons ins Field Office bringen und breitete den Inhalt auf dem Besprechungstisch aus.
»Na, schon etwas entdeckt?«, fragte Phil.
Ich hatte mich zunächst auf die Dokumente und die sichergestellte Post von Garth konzentriert.
»Nein, das wirkt völlig normal«, antwortete ich.
Mein Partner deutete auf den Laptop und erbot sich, dessen Inhalt zu durchforsten. Er kannte meine Haltung zu solchen technischen Dingen, und daher nahm ich das Angebot bereitwillig an. Für mich blieb das Mobiltelefon, dessen Zugangscode die Techniker entschlüsselt hatten.
»Garth hat eine Menge Informationen über di Razzo auf seinem Laptop gesammelt«, sagte Phil.
Es war ein Zusammentreffen zweier Ereignisse, da ich im gleichen Moment ebenfalls fündig geworden war.
»Und in seinem Telefonspeicher ist die Nummer des Konsulats gespeichert«, erwiderte ich.
Wir tauschten einen Blick aus.
»Vielleicht war Garth so eine Art Stalker und di Razzo ahnte überhaupt nichts davon«, sagte Phil.
Das gefundene Material ließe sich so erklären. Jagte ich eventuell einem Gespenst nach? Bevor ich diese Frage abschließend klären konnte, wollte ich noch mehr über Thomas Garth und Salvatore di Razzo wissen. Gab es eine Verbindung, die uns bislang entgangen war?
»Di Razzo ist der Verbindungsmann für diverse Unternehmen aus Italien. Er stammt aus einer alten Adelsfamilie und hat seit dem Studium seinen Lebensmittelpunkt in den USA«, sagte ich.
Ich wusste, dass ich auf einen wichtigen Punkt gestoßen war. In den vorliegenden Informationen versteckte sich ein entscheidender Hinweis. Bisher zeigte er sich jedoch nicht, weshalb ich es zunächst zurückstellte.
»Ich werfe einmal einen Blick auf die Geschäfte des Konsuls. Vielleicht gibt es da ja ein Geheimnis«, sagte Phil.
Mein Partner machte sich an die Arbeit, während ich eine Aufstellung des Immobilienbesitzes von di Razzo in den USA anfertigte.
»Di Razzo reist ständig zwischen Florida, Texas, Kalifornien und New York hin und her. Wieso besucht er eigentlich nie seine Familie in Kalabrien?«
»Zu Kalabrien fällt mir verschiedenes ein, Jerry. Zum Beispiel die ’Ndrangheta«, antwortete Phil.
Ich schlug mir mit der
Weitere Kostenlose Bücher