290 - In den Gärten von Sha'mar
Distanz zu halten. Er schrie wie ein Verrückter, spuckte, rollte seine Augen, ging rückwärts auf das Lagerfeuer zu. Seine Verfolger wirkten verwirrt und verängstigt.
Rishi und die anderen Alten beugten sich vor und feuerten den kräftigen Mann an. War dieses Spiel denn bereits zu Ende, bevor es richtig begonnen hatte?
Eine Frau, dürr und zäh, stürzte herbei. Sie umklammerte die Beine des Hünen, wich seinen wütenden Fußtritten aus und biss ihm mit aller Kraft in den Unterschenkel. Der Mann schrie auf, schleuderte die Furie beiseite. Blut spritzte aus der Wunde, er drohte einzuknicken. Augenblicklich fielen weitere Bewohner Nohq'was über ihn her und rissen ihn in einem gemeinsamen Kraftakt zu Boden.
Der Große klammerte sich am Buz fest, wollte ihn unter keinen Umständen loslassen, doch gegen eine derartige Übermacht hatte auch er keine Chance.
Zwanzig oder mehr Dorfbewohner fanden sich in einem Menschenknäuel. Sie schrien, schlugen aufeinander ein, tobten, spuckten, traten.
Ein Junge kroch laut brüllend zur Seite und ließ sich nahe einer Hütte in den Staub fallen. Ein Splitter des Unterarmknochens stach weit aus seinem Fleisch. Eine ältere Frau eilte herbei. Sie presste mit grünem Pflanzensud getränkte Tücher auf die schreckliche Wunde und träufelte dem Verletzten einige Tropfen einer Flüssigkeit in den geöffneten Mund. Bald darauf beruhigte sich der Junge und kippte bewusstlos hintüber.
Der Kampf um das Buz nahm indes seinen Fortgang. Hätte man gerade noch glauben können, dass ein wieselflinker Mann mit brustlangem Bart die Beute davonschleppen und in Richtung Lagerfeuer tragen konnte, so wurde er schon nach wenigen Augenblicken von einem weiteren Rudel gestellt und zu Boden gerissen.
Die Zuschauer tobten. Manch einer der Alten sprang auf und rief seinem persönlichen Favoriten Durchhalteparolen zu. Zehn- oder zwölfjährige Kinder konnten nur mit Mühe davon abgehalten werden, sich ebenfalls ins Gemenge zu stürzen.
»Wenn sie diesen Wahnsinn zu unseren Ehren aufführen, müssen wir ihn beenden!«, sagte Matt zu Aruula. »Sieh dir die Verletzungen an, die die Kämpfer davontragen!«
Er wollte aufstehen, zu Rishi treten - und fühlte sich von seiner Gefährtin zurückgehalten. »Achte ihre Sitten!«, mahnte sie ihn.
»Aber…«
»Achte ihre Sitten! Diese Menschen leben seit vielen Generationen mit diesem grausamen Spiel. Glaubst du denn wirklich, sie würden es schätzen, wenn du ihnen deine Meinung aufzwingst?«
Matt wusste, dass sie Recht hatte. Dass er die Gebräuche des 26. Jahrhunderts zu akzeptieren hatte, auch wenn es ihm schwerfiel wie jetzt.
Drei Frauen balgten sich jetzt um das Buz. Der Kadaver des Tieres war mittlerweile zu einem kaum mehr als Tier erkennbaren Fleischklumpen verkommen; auch ein Horn fehlte. Eine der Furien benutzte es als Stichwaffe und hielt die anderen beiden damit auf Distanz.
Immer neue Anfeuerungsrufe erklangen. Frauen und Männer, die bislang nicht in das Buzkaash eingegriffen hatten, warfen sich nun in die Schlacht. Selbst einer der Alten auf Krückstöcken wollte sich daran beteiligen und konnte nur unter allgemeinem Gelächter zurückgehalten werden.
»Setz dich!«, forderte Aruula mit sanfter Stimme. »Du kannst es nicht ändern.«
»Aber…«
»Kein aber! Nimm noch einen Schluck vom Chaa und sieh nicht hin. Wir sind nach Nohq'wa gekommen, um dringend benötigte Lebensmittel zu beschaffen. Nicht, um die hiesigen Traditionen zu kritisieren.«
Sie reichte ihm einen Holzbecher, Matt stürzte den Inhalt in einem Zug hinab. Seine Augen tränten, Hitze breitete sich in seinem Magen aus.
Das Buzkaash dauerte an. Immer wieder näherte sich einer der Teilnehmer dem Ring des Lagerfeuers bis auf wenige Schritte, um dann doch wieder abgetrieben oder seiner Beute beraubt zu werden.
Die Heilerinnen hatten alle Hände voll zu tun, um schwere und weniger schwere Wunden zu verbinden, Gelenke einzurenken, Brüche behelfsmäßig zu schienen oder Schmerzmittel zu verabreichen.
Eine Stunde verging. Die Zuschauer wurden nicht müde, ihre Favoriten anzufeuern. Auch die Kämpfer wollten in ihrer Leidenschaft nicht erlahmen. Matt sah längst hinaus aufs offene Land, inzwischen abgestumpft gegen die Schreie und das Blut.
Aruula hatte recht. Nohq'wa war auch nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Agartha. Es brachte nichts, hier etwas ändern zu wollen.
Irgendwann kam die Schlacht zu einem Ende, lauter Jubel ertönte. Ein schmächtiger Mann mit
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