292 - Chimären
Du hast unsere Vereinigung gestört!«, kreischte sie erneut und zog ihm die Nägel durchs Gesicht.
Der Schmerz brachte ihn wieder zu sich. Er schlug ihr die Faust unters Kinn. Sie flog von ihm herunter und blieb stöhnend liegen. Als sich Alastar aufrichtete und die Schmerzen in seinem Kopf zu ignorieren versuchte, schlug sie ihm einen steinernen Nachttopf, der wohl unter dem Bett gestanden hatte, gegen die Knöchel.
Der Chefexekutor brüllte. Für einen Moment war sein gesamter Unterleib wie paralysiert. So musste er ein zweites Mal zu Boden.
Die Frau, deren Mieder überall aufgeplatzt war, rollte sich seitlich weg und sprang auf. Er kassierte zwei weitere schwere Treffer an Hals und Brust.
Alastar hätte es nicht für möglich gehalten, dass sein Ende einmal so hübsch aussehen und weiblich sein würde. Panik überschwemmte ihn, als der Nachttopf auf sein Gesicht zuraste. Er schrie in kreatürlicher Furcht - und fand sich im nächsten Moment im Sessel vor der Gedankensphäre sitzend wieder. Dort zuckte und schrie er noch einige Momente weiter, bis er ganz in die Realität zurückfand.
Der Chefexekutor ahnte nicht, dass ihn seine Panikattacke gerettet hatte. Dieser Überreaktion seiner Empfindungen war es zu verdanken, dass ihn die Maschine wieder ausgeworfen hatte.
***
Nachdem sich der Schock gelöst hatte, brach Lobsang Champa völlig zusammen. Er zitterte und murmelte Unverständliches vor sich hin. Dabei schien er kaum noch Luft zu bekommen. Die Mediker mussten ihn noch im Versammlungssaal mit Sauerstoff versorgen und setzen ihm eine starke Beruhigungsspritze. Dann wurde der König in die Krankenstation abtransportiert.
In dem allgemeinen Getümmel hatten Matt, Aruula und Rulfan versucht, die flüchtende Khyentse zu verfolgen, aufgrund ihrer fehlenden Ortskenntnis aber Schiffbruch erlitten. Die Soldaten und Kampfmönche, von denen es hier nun geradezu wimmelte, würden sich um die Rätin kümmern. Die Agarther hatten alles im Griff; die drei Freunde konnten nicht viel tun.
Ein Heeresführer, der ein Lasergewehr quer über der Brust hängen hatte, baute sich vor Lhündrub auf. »Herr, welche Befehle hast du? Der König ist nicht ansprechbar, der Vizekönig tot. Damit liegt die Verantwortung nun bei dir.«
Lhündrub nahm seine Mütze ab und kratzte sich am kahlen Kopf. »Natürlich, ja, das hatte ich in der Hektik ganz vergessen. Großfahndung nach der Großen Rätin Khyentse. Und setzt auch Alastar fest.«
Der Gruppenführer salutierte, drehte sich weg und machte sich an seinem Handheld-Computer zu schaffen.
Das gab Matt die Gelegenheit, sich an Lhündrub zu wenden. Er trat zu ihm und räusperte sich. »Wir sind entsetzt, dass es offenbar unser Begleiter Alastar gewesen ist, der dieses Attentat eingefädelt hat«, sagte er. »Wir versichern dir, dass weder wir drei, noch Xij davon wussten.«
Lhündrub erwies sich als Logiker. »Aber wie konnte Aruula das Komplott aufdecken und Alastar beschuldigen?«, hakte er nach.
»Ich bin eine Lauscherin «, erklärte Aruula, und Matt fügte hinzu:
»Sie ist telepathisch begabt, doch in Alastars Gegenwart wird diese Fähigkeit blockiert; ich nehme an, durch einen Störsender, den er in seinem Körper trägt.«
»Erst wenn er über acht Speerwürfe entfernt ist, kann ich wieder lauschen «, nahm Aruula den Faden wieder auf. »Genau das passierte im Sitzungssaal - und ich konnte Khyentses Gedankenbilder auffangen. Sie selbst ist überzeugt, aus eigenem Antrieb zu handeln, aber nur, weil Alastars Willen über dem ihren liegt.«
»Du meinst, er hat sie hypnotisiert?«, fragte Lhündrub.
»Dass er dazu fähig ist, hat er schon auf dem Flug hierher bewiesen«, sagte Matt.
Der agartische Luftschiffer zog die buschigen Brauen zusammen. »Dann ist wohl kaum damit zu rechnen, dass man Alastar in seinen Räumen vorfinden wird. Zumal sie keine achthundert Meter von hier entfernt liegen. Er muss sie also verlassen haben.«
»Wenn wir irgendwie helfen können…?«, bot Rulfan an. »Ich habe noch ein persönliches Chiick mit ihm zu rupfen.« Er wandte sich an Matt. »Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass der Kerl uns alle irgendwie hypnotisiert hat. Mich, um Myrial erneut für diese Reise im Stich zu lassen, und euch, um die Siedlung der Ex-Versteinerten zurückzustellen.«
Im ersten Moment wollte Matt widersprechen, doch dann stutzte er. Ich glaubte Jenny unter den Bewohnern erkannt zu haben , dachte er. Und wenn sie dort ist, kann Ann nicht weit sein. Warum
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