292 - Chimären
angelehnte Tür aufschob, blickte sie in ein weitläufiges Schlafzimmer. Sie stockte.
Auf dem Bett lag - sie selbst. Lange schwarze Locken umrahmten ihr melancholisches Gesicht. In engen Miedern steckend, nähte sie an einem Kleid. Dabei sah sie so nebelhaft und durchsichtig aus wie ein Geist!
Francesca blickte auf und legte Kleid samt Nähzeug beiseite. Ihre großen traurigen Augen leuchteten, sie begann zu strahlen.
»Endlich bist du da. Wie lange habe ich auf dich gewartet und dich herbeigesehnt«, flüsterte sie, und auch ihre Stimme war nicht mehr als ein zarter Nebelhauch am frühen Morgen. Xij hätte sie allerdings auch ohne jedes Wort verstanden.
Natürlich, sie waren eins, im Moment noch durch ein grausames Schicksal getrennt und deswegen beide nur Schemen in dieser seltsamen Welt.
»Komm, lass uns wieder eins werden«, sagte Francesca und erhob sich vom Bett. Glücklich lächelnd kam sie auf Xij zu, streckte die Arme aus, umarmte und drückte sie ganz fest an sich. Die beiden schemenhaften Gestalten begannen sich langsam zu durchdringen…
***
Alastar stoppte abrupt, obwohl er den ZERSTÖRER in der Kammer hinter sich wusste. Wäre Khyentse ein wenig schneller gewesen, wäre sie gegen ihn gerannt.
»Was zum Orguudoo ist das ?«, fragte er leise. Über das Stalagmitenfeld hinweg sah er, dass die Tür, die schräg gegenüber lag, offen stand! Wer außer ihnen war noch hier unten? »Was beherbergt die Kammer dort?«
»Die Gedankensphäre , eine schreckliche Maschine. Aber komm, wir müssen weg.«
»Ich bestimme, was wir müssen.« Der Chefexekutor disponierte blitzschnell um. Anstatt die Alpha-Sektion sofort zu verlassen, lief er nun den Rundweg in die andere Richtung, hin zu dem offenen Raum. Khyentse trippelte hinter ihm her.
Mit schussbereiter Pistole schaute Alastar durch die Tür. Er glaubte nicht richtig zu sehen. Vor der Gedankensphäre saß Xij! Sie hatte sieben Elektroden am Kopf und war über Kabel mit der Maschine verbunden. Diese schien zu arbeiten. Alastar glaubte eine Art Strudel zu erkennen, der etwas einzusaugen schien.
»Was macht das Gör da?«, fragte er verwundert. Der Chefexekutor wusste, dass Xij in irgendeiner Verbindung zu Agartha stand. War das hier des Rätsels Lösung?
Alastar zerrte Khyentse mit in die Kammer und schloss die Tür hinter ihnen. Er sprach Xij scharf an, aber die reagierte nicht. Auch nicht, als er ihr den Pistolenlauf ins Genick drückte. Ihre trüben Augen, ihr glückseliges Lächeln und ihr seliges Seufzen verrieten, dass sie sich weit weg befinden musste.
Alastar fackelte nicht lange und fetzte ihr die Elektroden vom Kopf! Xijs Gesicht verzerrte sich in namenlosem Schrecken. Sie versuchte aufzuspringen, brach dann aber mit einem schrillen Schrei zusammen und rührte sich nicht mehr.
Was hat sie da gemacht?
Der Chefexekutor setzte sich die Elektroden selbst an, und die Gedankensphäre öffnete ihm den Weg in ihre Abgründe. Durch Alastars rigorosen Eingriff war das Programm nur unterbrochen, nicht abgeschlossen worden; jetzt führte die Maschine es weiter fort. An exakt derselben Stelle, an der Xijs Reise unterbrochen worden war. Nur eben mit Alastars Geist.
Übergangslos fand sich der Chefexekutor in einem verschwenderisch ausgestatteten Schlafzimmer wieder. Direkt vor ihm auf dem Boden lag eine wunderschöne Frau in engen Miedern auf ihren Knien, den Rücken gebeugt, den Kopf gesenkt. Langsam hob sie ihn, als sie die langen Beine mit den schwarzen Hosen vor sich bemerkte.
Das engelsgleiche Gesicht, von schwarzen Locken umrahmt, sah ihn schräg von unten aus traurigen, verweinten Augen an. Plötzlich verzerrte es sich in namenlosem Hass.
»Du Schwein! Du warst es! Du hast unsere Vereinigung verhindert!«, schrie die Frau, warf sich gegen seine Beine, umklammerte sie und zerrte an ihnen.
Alastar, vom plötzlichen Szenenwechsel ohnehin überfordert, hatte mit einer derartigen Attacke nicht gerechnet. Die Furie brachte ihn tatsächlich zu Fall. Seine Kampfinstinkte erwachten. Er wollte ihr den Pistolenkolben über den Kopf ziehen, bemerkte aber erst jetzt, dass er gar keine Waffe mehr besaß! Da die Frau an seinen Beinen hing, konnte er den Sturz nicht richtig abfangen und knallte mit dem Kopf gegen einen der Bettpfosten.
Alastar stöhnte. Er sah plötzlich Sterne in roten Nebeln tanzen und hatte Mühe, bei Bewusstsein zu bleiben, zumal die Frau sich nun auf ihn warf und wie eine Irre auf seinen Kopf einzuschlagen begann.
»Du Kretin bist schuld!
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