2935 - Leichen lügen nicht
einen alten Dean Martin-Song vor sich hin. Es dauerte eine Weile, bis er merkte, dass er Besuch bekommen hatte.
Er stieß sich ab, rollte mit seinem Sessel ein paar Schritte zurück und musterte uns neugierig durch die dichten Nebelschwaden, während er nachdenklich auf seinem fast abgebrannten Stumpen kaute.
»Ich grüße Sie, Gentlemen«, schmetterte er uns fröhlich entgegen. »Was kann ich für Sie tun?«
Zweifellos hielt er uns für Kunden.
Wir zückten unsere Ausweise und ernteten einen tiefen Seufzer.
»Und ich dachte, es würde ein guter Tag«, stöhnte der Mann mit dem ungepflegten Vollbart, den ein Schild auf dem Tresen als Hank Vollmann auswies. »Also, raus mit der Sprache: Was hab ich ausgefressen?«
»Es geht um einen Ihrer Mitarbeiter«, erklärte ich ruhig. »Joe Cumber. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
Hank Vollmann kniff seine Augen zusammen.
»Warum fragen Sie ihn nicht selbst?«
»Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt«, bemerkte Phil.
»Die Adresse kann ich Ihnen geben, Moment …« Hank Vollmann rollte zurück an seinen Schreibtisch und griff sich einen speckigen Aktenordner.
»In seiner Wohnung hält er sich nicht auf. Joe Cumber ist flüchtig.«
Vollmann ließ den Ordner sinken.
»Flüchtig? Was soll das denn jetzt wieder heißen?«
»Wir wollten ihn im Rahmen einer Mordermittlung befragen, aber er hat es vorgezogen, sich unseren Fragen zu entziehen.«
»Wollen Sie damit sagen, Joe ist ein Mörder?«
Hank Vollmann sog heftig an seinem Zigarrenstummel. Jeden Moment würde die Glut seine Lippen erreichen.
»Wir wollen ihn lediglich als Zeugen vernehmen.«
Sein Boss glaubte uns kein Wort.
»Verstehe«, sagte er gedehnt. »Tja, leider hat Joe sich heute Morgen krankgemeldet. Was sehr ärgerlich war, denn er sollte eine Ladung Mais nach Poughkeepsie bringen und ich hab auf die Schnelle keinen Ersatz gefunden.«
Phil trat an die Karte der Vereinigten Staaten, die hinter dem Inhaber der kleinen Spedition an der Wand hing. Sie war übersät mit kleinen Fähnchen in verschiedenen Farben und Pfeilen, die in alle Himmelsrichtungen zeigten.
»Hat Joe Cumber feste Routen, die er regelmäßig fährt?«, erkundigte er sich.
»Poughkeepsie fährt er jede Woche«, antwortete Vollmann. »Außerdem zweimal White Plains und einmal Jefferson. Aber es kommen auch immer wieder kurzfristig Touren rein. Die werden unter den Fahrern aufgeteilt.«
»Wie lange arbeitet er schon für Sie?«
Hank Vollmann nahm einen letzten tiefen Zug, versenkte den winzigen Stummel in einem Dreh-Ascher aus zerkratztem Chrom und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Erst jetzt fiel mir sein enormer Bauchumfang auf.
»Knapp zwei Jahre.«
»Sind Sie zufrieden mit ihm?«
»Und ob. Auf Joe kann ich mich hundertprozentig verlassen. Ich kann ihn mitten in der Nacht anrufen und er steht eine halbe Stunde später auf der Matte. Ganz ehrlich, ich kann mir keinen besseren Mitarbeiter vorstellen.«
»Wie sieht es mit Krankfeiern aus? Macht er öfter mal ein paar Tage blau?«
»Nie! Joe hat eine Pferdenatur. Typen wie er werden einfach nicht krank. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in den zwei Jahren auch nur einmal die Grippe gehabt hätte.«
Phil und ich wechselten einen vielsagenden Blick. Eine Grippe würde wohl auch diesmal nicht der Grund für sein Fernbleiben sein.
Mein Blick blieb an den Einsatzplänen hängen.
»Wissen Sie, was er vorher gemacht hat? Ich meine, bevor er bei Ihnen angefangen hat?«
Hank Vollmann kratzte sich am Kopf. »Er hat’s mir mal gesagt, aber ich hab’s wieder vergessen.«
»Es gibt doch sicher so was wie eine Personalakte«, half ich ihm auf die Sprünge.
Vollmann seufzte. Offenbar hatte er sich den Weg zum Rollschrank sparen wollen. Ächzend erhob er sich aus seinem Sessel und watschelte schnaufend auf die andere Seite des Büros.
In Situationen wie diesen verfluchte er jede verdammte Zigarre, die er in seinem Leben geraucht hatte.
Schließlich kam er mit einem schmalen, grauen Hefter zurück, ließ sich schwer atmend in den Sessel fallen und schlug den Deckel auf. Umständlich kramte er seine Lesebrille aus der Jacke und schob sie sich auf die Nase.
»Die Unterlagen sind nicht immer vollständig«, entschuldigte er sich mit einem schiefen Lächeln. »Manche Leute haben Schwierigkeiten, ihre Papiere zusammenzuhalten. Aber ich beschäftige keine Kriminellen. So was kommt bei mir nicht in Frage.«
Offenbar hatten unsere Dienstausweise bei ihm
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