2935 - Leichen lügen nicht
solchen Vorlieben immer noch leicht erpressbar. Dieses Wissen hat sich der Mob zunutze gemacht. Sowohl in Memphis als auch später in Jacksonville haben sie versierte Dominas auf ihn angesetzt, die Gloome dazu verleitet haben, in einer schwachen Stunde Details über geplante FBI-Aktionen auszuplaudern.«
So etwas Ähnliches hatte ich bereits vermutet.
»In beiden Fällen mussten wir daraufhin empfindliche Niederlagen gegen das organisierte Verbrechen hinnehmen. Nach dem Mord an Nancy West befürchten wir, dass uns das Gleiche hier bevorsteht.«
Ich wechselte einen alarmierten Blick mit Phil.
»Sprechen Sie von dem geplanten Einsatz gegen das mexikanische Drogenkartell?«
Mr High nickte ernst.
»Ich hatte heute Morgen deswegen bereits eine Unterredung mit Steve Dillaggio, der den Einsatz leitet. Nach seinen neuesten Informationen hat das Kartell die Lieferung bereits zum zweiten Mal verschoben.«
»Die Leute sind nervös geworden«, vermutete ich. »Wahrscheinlich hatten sie Nancy West auf Thomas Gloome angesetzt. Dann ist irgendwas schiefgelaufen.«
»Das ist auch unsere Hypothese«, nickte Mr High. »Möglicherweise ist Gloome mit den entscheidenden Informationen nicht rechtzeitig rübergekommen. Oder das Mädchen hat es verbockt. Wir wissen es nicht.«
»Hat Thomas Gloome Nancy West umgebracht?«
»Auch das wissen wir nicht, Jerry. Wir wissen nur eins: Die Morde in Memphis und Jacksonville gehen nicht auf sein Konto. In beiden Fällen verfügt er über wasserdichte Alibis.«
»Andererseits war er mit Nancy West an dem Abend zusammen, an dem sie ermordet wurde.«
Ich berichtete von unserem Besuch bei Kitty Warren. Mr High hörte mir aufmerksam zu.
»Dann sollten wir sein Foto unverzüglich an sämtliche Hotels der oberen Kategorie schicken und nachfragen, ob er an dem fraglichen Abend mit dieser Dame dort abgestiegen ist.«
»Schon passiert«, erklärte ich. »Außerdem werden gerade sämtliche bekannten Domina-Studios der Stadt kontaktiert. Denn nach dem Tod seiner Gespielin ist er sicher auf der Suche nach Ersatz.«
Plötzlich erhob sich Phil, stützte sich mit den Händen auf die Lehne seines Sessels und sah uns herausfordernd an.
»Wäre es nicht am vernünftigsten, Thomas Gloome einfach selbst zu fragen?«
Über Mr Highs Gesicht ging ein müdes Lächeln.
»Natürlich haben Sie recht, Phil. Aber alles, was mit Thomas Gloome zu tun hat, muss mit Washington abgesprochen werden. Tatsächlich bekam ich heute früh grünes Licht von der entsprechenden Stelle. Der Auftrag lautete: Thomas Gloome ins Kreuzverhör nehmen und alles aus ihm rauspressen, was er weiß. Damit der Schlag gegen das Drogenkartell nicht wieder ein Desaster wird.«
Unser Chef sah uns schulterzuckend an.
»Da gibt es nur leider ein kleines Problem. Thomas Gloome ist heute nicht zum Dienst erschienen. Er hat sich krankgemeldet.«
***
Thomas Gloome sah auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Eine Ewigkeit. Sein Magen rebellierte. Wie viele Tassen Kaffee hatte er schon getrunken? Viel zu viele. Genau das Richtige für sein Magengeschwür.
Er hob die Hand. Die Kellnerin kam und schenkte ihm nach.
Er konnte an nichts anderes denken als an die Nacht mit Mighty Mona . Im Vergleich zu ihr war Lady Natascha eine züchtige Klosterschülerin gewesen. Sie hatte Dinge mit ihm angestellt, von denen er nicht mal geträumt hatte. In der letzten Nacht war er in eine völlig neue Dimension der Lust eingetaucht.
Nach dem gemeinsamen Frühstück hatte er sich vor dem Hotel von ihr verabschiedet. Wegen dem Wasserschaden in Kitty’s Salon mussten ihre Mädchen immer noch auf Hotelzimmer ausweichen. Dann hatte er sich krankgemeldet. An Arbeit war nicht zu denken. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Anschließend hatte er seine Frau angerufen und ihr irgendwas erzählt. Eine Krisensitzung, die sich hinzog. Eine ausländische Delegation, die betreut werden musste. Ein geheimer Einsatz, der vorbereitet werden musste.
Und Lucy glaubte ihm alles. Von seinem Doppelleben hatte sie keine Ahnung.
Den ganzen Tag hatte er sich in der Stadt rumgetrieben. In einem 24-Stunden-Kino konnte er zwei Stunden schlafen, während auf der Leinwand die tapferen Konföderierten im Sezessionskrieg ihre letzten Patronen verschossen. Dann hatte er sich mit einer Tüte Bagels und einem Becher Kaffee in den Wartebereich des Port Authority Bus Terminal gesetzt und gewartet, dass die Zeit verging.
Er hatte das Gefühl, dass er sich immer weiter von Lucy entfernte. Und von
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