2938 - Versteck dich, wenn du kannst!
dass die Sache für mich viel ernster ist, als ich anfangs dachte. Alle Mitarbeiter bei S&T Pharmazeuticals haben hammerharte Verträge, die es schwer ahnden, wenn wir über Firmeninterna mit Außenstehenden sprechen. Das hat mich nie gestört, weil ich mich dem Unternehmen schon viele Jahre als zugehörig betrachte und nie Grund hatte, an den Inhabern zu zweifeln.«
»Das hat sich jetzt geändert?«
»So ist es. Mir sind ein paar Dinge klar geworden. Dabei habe ich ein besseres Gefühl, wenn ich Ihnen das, was ich zu sagen habe, unter vier Augen tun kann. Darüber hinaus brauche ich vielleicht Ihre Hilfe und wir benötigen etwas ganz Bestimmtes, das Paul bei sich trug. Und außerdem …«, ihre Stimme versagte kurz, bevor sie sich wieder gefangen hatte, »… möchte ich in das Hotel fahren. Sie wissen schon, dahin, wo Paul gestorben ist.«
Das fand ich ungewöhnlich, sagte aber nichts dazu.
»Gut, dann raus mit der Sprache. Was ist Ihnen eingefallen, das Sie mir nicht am Telefon sagen können?«
Sie biss sich auf die Lippen, dann lehnte sie sich zurück.
»Paul, ich und die anderen Mitarbeiter des Teams arbeiten seit längerer Zeit an einem Medikament gegen Angststörungen.«
»Das ist uns bereits bekannt«, informierte ich sie.
»Dieses neue Mittel sollte etwas ganz Besonderes sein. Wir setzten dabei vorwiegend eine Kombination aus etlichen bekannten Naturpräparaten ein, die wir teilweise im Labor nachbildeten. Vor einigen Monaten gelang uns ein Durchbruch, einer unserer Prototypen schien sehr vielversprechend. Das Medikament löste nicht nur Angstzustände, es schien auch geeignet, das Gehirn darauf zu programmieren, Phobien dauerhaft abzulegen.«
»Miss Perkins, Sie sprechen von einem Medikament, das sich irgendwann selbst überflüssig gemacht hätte?«
Sie lächelte leicht. »So gesehen, ja. Aber da Angst die beherrschende Emotion unserer Zeit zu sein scheint und immer mehr Menschen an Phobien und Ähnlichem leiden, wäre die Entwicklung dennoch lukrativ gewesen.«
»Was ist dann geschehen?«
»Dann gab es einen Streit zwischen Paul und der Firmenleitung.«
»Moment, ist nicht der Forschungsleiter erster Ansprechpartner für Mister Clarke gewesen?«
»Eigentlich schon, deswegen war es ja so ungewöhnlich, dass er mit seinem Anliegen direkt in die Chefetage ging. Auf jeden Fall wurde nach diesem Streit das Projekt für beendet erklärt. Wir waren alle wie vor den Kopf geschlagen, aber Paul meinte, es habe unvorhergesehene Störungen gegeben und wir müssten einfach noch einmal von vorn anfangen, ein neues Medikament entwickeln. Dabei ist es auch geblieben.«
»Was wissen Sie über den Auslöser des Streits?«
Sie schüttelte den Kopf. »Paul … er war eine Zeit lang total verändert. Kaum noch ansprechbar. Er hat mir nichts über die Details gesagt. Nur so viel, dass er seine Aufzeichnungen vernichten würde, weil er diese Arbeit der Firma nicht zur Verfügung stellen wollte.«
»War er der Einzige, der diese Unterlagen besaß?«
»Ja. Als Projektleiter hatte er die wesentlichen Dokumentationen bei sich. Darüber hinaus waren alle Aufzeichnungen in unseren Computern nach dem Streit von ihm persönlich gelöscht worden. Ein solches Verhalten kannte ich von meinem Vorgesetzten und Freund bis zu diesem Zeitpunkt nicht.«
»Das hätte mit Sicherheit arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen und deutet auf ein Zerwürfnis hin. Aber das hätten Sie mir auch am Telefon sagen können«, teilte ich ihr mit.
»Möglich. Aber mir ist eingefallen, dass es vielleicht eine Chance gibt, an Pauls Aufzeichnungen heranzukommen.«
»Er hat sie nicht vernichtet?«
Ihr Kopf pendelte in einer langsamen Bewegung hin und her. »Vermutlich nicht alle. Es wäre jedenfalls total unüblich. Für ihn, für Wissenschaftler generell. Außerdem haben wir bei diesem Projekt sehr eng zusammengearbeitet. Selbst wenn nicht mehr alles vorhanden ist, kann ich eventuell ein paar der Lücken füllen.«
Wie sich herausstellte, hatte Paul Clarke neben seinem Notebook noch einen weiteren, externen Speicher, in den er gelegentlich nicht mehr aktuelle Dateien auslagerte und auf den nichts in seinen Unterlagen hinwies.
»Den Zugang kenne ich. Verschlüsselt hat er die Daten nach einem speziellen System. Haben Sie in seinen Unterlagen ein Buch gefunden, einen schmalen Gedichtband?«
Das konnte ich bejahen. Die Tasche mit den wenigen persönlichen Dingen, die Paul Clarke bei sich gehabt hatte, stand noch bei uns im
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