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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Matts Ohren nur wie ein dumpfes Dröhnen klang. »Die haben genug! Ich dachte schon, unser letztes Stündlein hätte geschlagen!« Sie trat an eines der Fenster und blickte sich um, stets aufmerksame Kriegerin.
    »Verdammt, Xij, wo hast du so zu schreien gelernt?«, fragte Matt ebenso laut. »In einem deiner früheren Leben?«
    Xij schüttelte den Kopf. Sie sah erleichtert aus; der enorme Druck, der sich in ihr aufgebaut und ein Ventil gebraucht hatte, schien gewichen. »Nicht in irgendeinem Leben - in dem, das mit der Stadt da unten verknüpft ist«, entgegnete sie.
    »Apropos Stadt«, sagte Aruula rau und zog die Aufmerksamkeit sofort auf sich. »Da unten tut sich was!«
    Sie traten neben sie und blickten hinab.
    »Das sind Menschen«, sagte Matt. »Aber was sind das für Tiere, auf denen sie reiten?«
    »Dechsen«, antwortete Xij. »Das sind Dechsenreiter.«
    »Woher…«, begann Rulfan - und schloss: »Ach ja, richtig.«
    Aus der Höhe betrachtet wirkten die mit Ledersätteln beschirrten Tiere wie riesige Geckos, echsenartige Geschöpfe, die von ihren Reitern offenbar nur schwer zu bändigen waren, denn jeder Schritt war von einem leichten Aufbäumen und Zerren an den Zügeln begleitet.
    Einer der Reiter zeigte plötzlich in den Himmel und auf das Luftschiff. Er machte die anderen auf seine Entdeckung aufmerksam.
    »Verdammt!«, fluchte Rulfan. Er eilte zum Pilotensessel zurück.
    »Lass sie doch schauen«, wiegelte Matt ab. »So schlimm ist das nicht. Sie scheinen nur armbrustartige Waffen zu haben. Bleiben wir einfach außer deren Reichweite.«
    »Wenn das mal so einfach wäre«, erwiderte Rulfan und klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den Höhenmesser. »Wir sinken, wenn ich mich nicht irre! Die letzte Harpyie muss den Zeppelin beschädigt haben. Wir verlieren langsam, aber stetig an Höhe. Vielleicht sind die Waffen der Typen nicht sonderlich modern - aber wir kommen ihnen unweigerlich näher!«
    ***
    Vergangenheit, 2465
    »Tėvas!«
    Jurgis rief das Wort wieder und wieder. Doch der Mann, der sich so nannte - Tėvas bedeutete Vater -, antwortete ihm nicht. Und anders als sonst kam er auch nicht, um Jurgis neues Essen und frisches Wasser zu bringen.
    Erst war Jurgis traurig gewesen.
    Dann wütend.
    Und nun, nach vielen Stunden, kamen der bohrende Durst und Hunger hinzu, und er begann sich durch die Streu zu wälzen und an den Wänden hochzuziehen. Das Gehen fiel ihm schwer. Sein Tėvas beherrschte es in Vollendung, er selbst jedoch…
    »Irgendwann wirst auch du laufen können. Springen. Tanzen!« So klangen die süßen Versprechungen in Jurgis nach, die er oft gehört hatte und doch immer noch nicht glauben konnte.
    »Tėvas - komm! Jurgis nicht mehr böse! Jurgis ganz lieb! Tėvas nicht länger zornig, bitte!«
    Jurgis kam zu der festen Überzeugung, etwas verbrochen zu haben bei ihrer letzten Begegnung. Obwohl sein Tėvas ihm beim Abschied so freundlich wie immer über das dünne Haar gestrichen hatte. Aber irgendetwas Dummes musste Jurgis gesagt oder getan haben, sonst würde der Herr Vater doch nicht so lange fortbleiben und ihn alleine lassen. Ohne Essen. Ohne Wasser!
    Als er müde wurde, rollte Jurgis sich in der Kuhle zusammen, in der er schon immer geschlafen hatte. Er zog die kratzige Decke über sich und schloss die Augen. Aber die Schmerzen in seinen Eingeweiden nahmen zu. Er fand keinen Schlaf.
    Dann ging die Lampe aus. Das Öl darin war aufgebraucht. Finsternis umfing den Halbwüchsigen. Er begann zu zittern.
    Licht war so wichtig wie Wasser oder Essen. Nein, wie Luft! Er brauchte Licht, um die winzige Welt, in der er lebte, ertragen zu können. Sonst erdrückten ihn die Wände.
    Alles so eng und kalt und finster…
    Jurgis hatte kein Zeitgefühl mehr. Wie lange war sein Tėvas jetzt schon überfällig? Warum strafte er ihn so?
    Ohne sich aufzurichten, zusammengerollt wie ein Ungeborenes im Mutterleib, fing Jurgis an, vor sich hin zu brabbeln. Jedes Wort, jeder Gedanke drehte sich um seinen Tėvas.
    Der aber kam auch in der Folge nicht.
    Irgendwann schrie Jurgis vor Schmerz. Seine Gedärme schienen sich aufzulösen. Sie brannten, als würden sie bei lebendigem Leib verfaulen. Wenn er den Drang verspürte, in der Ecke zu urinieren, brannte es, als würden die wenigen Tropfen, die noch kamen, aus ätzender Säure bestehen. Und seine Nieren taten auch weh, so weh…
    Jurgis spürte, wie er immer schwächer, immer lethargischer wurde.
    Genug , dachte er. Genug

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