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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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einzigartigen Moment untermalen.
    Jurgis war so ergriffen, dass er nicht hörte, wie jemand in sein Schlafgemach eintrat und sich ihm näherte. Erst als sich eine Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen und wäre beinahe doch noch gefallen, weil ihm die Knie nachgaben.
    Der Besucher fing ihn ab und legte sich Jurgis' Arm um den Hals. Gleichzeitig sprach er beruhigend auf ihn ein. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ein Diener saß die ganze Nacht vor der Tür, um mir zu melden, wenn du aufgewacht bist. Er verständigte mich, und ich eilte sogleich herbei.« Magister Grauberg wies hinaus in die Landschaft. »Der Tag ist gerade angebrochen. Das kennst du nicht, mein Kind. Du hattest immer nur die Wahl zwischen Dunkelheit oder Lampenlicht.«
    »Schön…!«, brach es voller Inbrunst aus Jurgis heraus. Tränen rollten ihm über die Wangen. »So schön!«
    »Du sprichst, immerhin«, sagte der Magister. »Aber dein Herr Vater gab sich nicht die größte Mühe mit dir, daran wird zu arbeiten sein.«
    Jurgis blinzelte den Mann aus Vilnius an. Hatte der freundliche Mann gerade seinen Tėvas schlecht gemacht? Aber ein einziger Blick in die von unzähligen Fältchen umkränzten Augen des Magisters machte Jurgis klar, dass er sich geirrt hatte. »Ich lernen. Gut lernen. Froh machen Euch!«
    »Das weiß ich doch, das weiß ich doch…« Alvarus Grauberg strich Jurgis zärtlich über den Schopf. »Du siehst gut aus heute. Viel besser schon als gestern. Aber du musst viel trinken. Sieh, da neben dem Bett steht ein Krug mit bestem Quellwasser. Dazu ein Becher. Deine Notdurft kannst du draußen verrichten. Die Diener zeigen dir das Häuschen, das eigens dafür im Hofe steht. Du lernst schnell, man muss dich nur richtig unterrichten, das spüre ich.«
    Wieder stutzte Jurgis kurz ob der Betonung des Magisters auf dem Wörtchen »richtig«. Aber gleichzeitig merkte er, wie etwas mit ihm geschah, das er nie für möglich gehalten hätte: Er begann seinen Tėvas schon ein ganz klein wenig zu… vergessen. Alvarus Grauberg überstrahlte mit seiner Persönlichkeit alles, was Jurgis in der Zeit im Keller kennengelernt hatte. Er wollte seinen Tėvas nicht vergessen. Und doch fühlte er sich erst jetzt wirklich lebendig . Eigentlich waren es unnütze, tote Jahre, die er in seiner winzigen Welt verbracht hatte.
    »Dank«, sagte er, als Alvarus Grauberg ihn zum Bett geführt und gewartet hatte, dass er sich wieder hinlegte in dem schönen langen Hemd, das ihm im Schlaf übergezogen worden war. »Tausend, tausend Dank!«
    Der Magister lächelte versonnen. Als er sich zum Gehen wandte, kündigte er noch an: »Gleich kommen zwei Bedienstete und bringen einen Waschzuber. Du wirst gebadet und geschrubbt, danach fühlst du dich wie neugeboren.«
    Jurgis verstand auch jetzt nicht allzu viel von dem, was der Gelehrte sagte, aber er lächelte. Grauberg ging, und wenig später kamen die Diener, die sich auch die folgenden Tage unermüdlich und geduldig um ihn kümmerten.
    Alvarus Grauberg selbst ließ sich in den folgenden Wochen kaum sehen und besuchte ihn erst wieder, als Jurgis durch tägliche Spaziergänge, viel Trinken und nahrhaftes Essen äußerlich kaum wiederzuerkennen war.
    »Jetzt«, sagte der Magister, »jetzt bist du so weit, dass wir mit meinem Unterricht beginnen können.«
    Und so vergingen die Wochen, die Monate, und aus Jurgis wurde ein Mensch.
    ***
    Gegenwart
    Als das Luftschiff zwischen den Häuserruinen niedersank, wartete schon das Empfangskomitee auf die Reisenden.
    Die Dechsenreiter umringten die MYRIAL II, aber anders als befürchtet richtete keiner von ihnen seine Armbrust auf die Gondel.
    Die Gefährten beobachteten, wie sich einer der Reiter näherte.
    »Ich spreche mit ihnen«, bot sich Xij an, die wieder zu alter Form und Verfassung zurückgefunden hatte. »Ich denke, ich beherrsche ein paar Brocken ihrer Stammessprache. Mahan hat sie mich gelehrt.«
    »Wer ist Mahan?«, fragte Aruula. »Du hast diesen Namen noch nie erwähnt.«
    »Er war ein Bahai. Aber das ist etwas kompliziert - und schon lange her.« Xij zuckte mit den Achseln, öffnete die Luke, sprang hinab und ging dem vorgepreschten Reiter auf seinem imposanten Tier entgegen.
    Matt, Aruula und Rulfan hörten Xij Worte sprechen, die Matt zumindest einigermaßen zuordnen konnte, ohne ihre Bedeutung zu verstehen. Es klang nach Arabisch - alles andere wäre in dieser Gegend auch eine Überraschung gewesen.
    Xij und der Fremde unterhielten

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