2941 - Die Zeit läuft ab
machen konnten.
***
Phil und ich führten die Vernehmungen parallel. Während ich mit Edmund Kaminsky sprach, vernahm er Oswald Eggles.
»Die Erpresser haben bereits bewiesen, dass es keine leeren Drohungen sind. Wenn innerhalb der kommenden knapp zehn Stunden nicht der Fonds eingerichtet wird, stirbt ein weiterer Mensch«, erklärte ich.
Es war verblüffend, wie realitätsfern sich intelligente Wissenschaftler verhalten konnten, wenn es nicht ihr Fachgebiet betraf.
»Ich bin doch nur ein Forscher, Agent Cotton. Warum sollte man mich umbringen wollen?«, fragte Kaminsky erneut.
»Weil wir davon ausgehen müssen, dass es sich bei den Erpressern um Opfer oder deren Angehörige handelt. Sie und Ihr Kollege haben maßgeblich an der Forschung für das Präparat mitgewirkt. Deswegen befinden Sie sich in Gefahr«, wiederholte ich.
Langsam sickerten die Worte in Kaminskys Verstand ein, wie das wechselnde Mienenspiel mir vermittelte. Er krauste nach einigen Sekunden die Stirn.
»Oh, so habe ich es bisher noch nicht betrachtet«, sagte er.
Ich seufzte innerlich auf und konnte endlich neue Fragen stellen.
»Es gibt Hinweise darauf, dass bereits im Zeitraum der klinischen Studien Nebenwirkungen auftraten. Was wissen Sie darüber?«, fragte ich.
Kaminsky senkte den Kopf und betrachtete angestrengt seine Fingernägel. Im Grunde war es schon Antwort genug, aber ich wollte es genauer wissen.
»Es stimmt also. Wie verfuhr MedFuture mit dem Wissen?«, bohrte ich weiter.
Edmund Kaminsky stieß die angehaltene Luft aus und schaute mich herausfordernd an.
»Dazu sollten Sie besser mit Mister Halver sprechen. Wir liefern lediglich die Ergebnisse. Es liegt nicht in unserer Verantwortung, wie die Zuständigen später damit umgehen«, antwortete er.
Das Hohelied der freien Wissenschaft, die zweckfrei arbeitete.
»Mit solchen Argumenten werden sich die Erpresser und Mörder schwerlich abspeisen lassen. Sie gehören doch zu den Wissenschaftlern bei MedFuture , die ihren Namen mit unter die Abschlussstudien setzten. Warum stand denn darin kein Wort über die Risiken?«, fragte ich weiter.
Kaminsky schwieg zunächst und ich rechnete schon nicht mehr mit einer Antwort, als er auf einmal losredete. Er schilderte das komplizierte Verfahren bei der Markteinführung eines neuen Medikaments und wie groß die Grauzonen bei der Benennung möglicher Nebenwirkungen waren.
»Sie wollen mir also zu verstehen geben, dass es im Ermessen des einreichenden Unternehmens liegt, welche Risiken veröffentlicht werden?«, fragte ich ungläubig.
Kaminsky druckste ein wenig herum, räumte aber einen juristisch schwer zu definierenden Spielraum ein. Ich verließ kurze Zeit später das Vernehmungszimmer, in dem ein Kollege die Aussage des Wissenschaftlers aufnahm. Auf dem Gang traf ich Phil, der reichlich finster dreinschaute.
»Und? Konntest du Eggles dazu bewegen, sein Wissen über mögliche Nebenwirkungen auszuplaudern?«, fragte ich.
Mein Partner berichtete über einen Gesprächsverlauf, der in weiten Teilen meiner eigenen Vernehmung glich.
»Damit steht jetzt fest, dass die Risiken innerhalb des Unternehmens in gewissem Maß bekannt waren. Das dürfte der Grund dafür sein, warum Halver sich so vehement gegen die Einrichtung des Fonds stellt«, sagte ich.
Wir besprachen unsere Ergebnisse mit AD High. Unser Chef wollte sie nutzen, um nochmals auf Halver einzuwirken.
»Wir konnten die meisten Personen auf der Liste inzwischen ausfindig machen. Dr. Pouland hat ihren Aufenthalt in Ontario beendet und kehrt nach New York zurück«, sagte der Chef.
»Warum bleibt sie nicht in Kanada? Da wäre sie sicherer als hier bei uns«, fragte Phil.
Doch Dr. Pouland sah sich nicht gefährdet und wollte ihre Arbeit im Labor in Hoboken fortsetzen.
»Wissenschaftler leben offenbar in ihrer eigenen Welt«, stellte ich fest.
Mr High lächelte amüsiert, kommentierte meine Worte aber nicht weiter.
»June und Blair observieren Axel Lomax. Auch die übrigen Mitglieder der Selbsthilfegruppe werden überwacht«, sagte er.
***
Wir bauten darauf, dass unsere Kollegen die richtigen Verdächtigen beobachteten. Solange darüber aber keine Gewissheit bestand, mussten wir weiterhin alle potenziellen Opfer in Sicherheit bringen.
»In den Vernehmungen fiel mehrfach der Name Richard Oldman. Er soll früher die Forschungen bei MedFuture geleitet haben. Nach dem Tod seiner Ehefrau gab es offenbar private Schwierigkeiten, weshalb er das Unternehmen verlassen hat«, sagte
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