2946 - Deborah - verzweifelt gesucht
würde. Los, aufstehen, da rüber!« Bradshaw dirigierte den anderen rüber zu seinem Auto, wo ihn der Schwarzgekleidete stumm fesselte und ihm ein breites Klebeband über den Mund klebte.
»So, und nun fahren wir an einen Ort, an dem das Vögelchen singen kann«, verlangte Bradshaw grimmig. Er wusste, dass er damit eine Grenze überschritt. Eine Grenze, über die er nie wieder würde zurückkehren können. Der Gedanke daran, dass seine Tochter Deborah in der Gewalt eines von Dimitris Lakaien war, machte ihn fast wahnsinnig. Er kannte diese Art von Menschen gut genug, um zu wissen, was sie einem jungen Mädchen antun konnten.
Für Deborah würde es nie wieder so sein wie vorher. Einen Moment lang hatte er darüber nachgedacht, dem FBI gegenüber seine Befürchtungen zu äußern. Aber das hätte die Sache nur noch verschlimmert. Dieser Mann wusste sich abzusichern. Wer ihn bekämpfen wollte, musste sich auf seine Ebene begeben.
Timothy hatte gehofft, dass ein Mitwisser auf die Belohnung anspringen würde, die er im Internet angekündigt hatte. Aber auch hier hatte man ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Einen Moment lang dachte Timothy an Myrna, die ihm so loyal zur Seite stand. Erinnerte sich an ihr weiches, williges Fleisch. Ihre manchmal kratzbürstige Art, die ihm sofort gefallen hatte. Ihren scharfen Intellekt, den er nicht nur in beruflichen Dingen schätzte. Hätten sie doch nur ein wenig mehr Zeit gehabt! Seine Gedanken wanderten zu ihrem ungeborenen Baby – einem Sohn, da war er sich sicher, obwohl Myrna sich standhaft geweigert hatte, das Geschlecht des Kindes vorab bestimmen zu lassen.
Er würde, wenn die Dinge, die er in die eigenen Hände nehmen musste, jetzt Fahrt aufnahmen, die USA verlassen müssen, und er würde von dem Moment an immer auf der Hut sein müssen vor den Strafverfolgungsbehörden. Es gab Länder, in die er sich absetzen konnte. Myrna würde nachkommen und mit ihr das Kind. Aber alles ab jetzt war ein hohes Risiko – das er eingehen musste, wenn er erfahren wollte, wo seine Tochter Deborah war, wenn er sie lebend zurückhaben wollte.
»Los, fahren Sie«, wies er seinen schwarzgekleideten Begleiter an. Sie verschwanden die dunkle Straße entlang, gerade noch rechtzeitig, bevor ein weiterer Gast das Lokal verließ, sich nachdenklich eine Zigarette anzündete und bei einem kurzen Blick in die Runde den erschossenen Bodyguard entdeckte.
***
Agnes Rubin lebte schon eine ganze Weile auf der Straße, doch das hatte ihr ihre Würde nicht genommen. Sie war eine Frau von einundsiebzig Jahren, die einmal hübsch gewesen sein musste. Ihr Leben war durch den tödlichen Arbeitsunfall ihres Mannes und die Spielsucht ihres einzigen Sohnes, für den sie gebürgt hatte, ruiniert worden. Inzwischen saß sie tagsüber in der Nähe des New Claridge und zog sich zum Schlafen in den Bereich der Subway zurück, in dem die Obdachlosen geduldet wurden.
»Sind Sie der FBI-Agent, der die Sache leitet? Man sagte mir, sein Name wäre Jerry Cotton?«, fragte sie mich und ich bejahte und reichte ihr meinen Dienstausweis. Sie studierte ihn ausführlich, bevor sie ihn mir zurückreichte.
»Wissen Sie, jemand wie ich wird beim FBI oder beim NYPD immer gerne als Wichtigtuer oder nicht wirklich vertrauensvoll eingeordnet. Daher wollte ich unbedingt mit Ihnen sprechen, damit meine Information an der richtigen Stelle ankommt.«
Wir saßen auf einer Bank, Agnes Rubin hatte ihre Habe, die in einem zerschlissenen Trolley steckte, daruntergeschoben und hielt den Becher Kaffee, den ich ihr mitgebracht hatte, mit beiden Händen umklammert.
»Dann sagen Sie mir bitte, was Sie gesehen haben«, forderte ich sie auf.
»Also, das war Sonntagnacht und ich war länger draußen als normalerweise. An diesem Abend war irgendeine Veranstaltung im Hotel, und einige der Leute, die herauskamen, zeigten sich in Spendierlaune. Wissen Sie, ich sitze meist auf meinem Trolley«, sie schlug kurz auf das Gepäckstück unter der Bank, »und halte meinen Becher zwischen den Händen. So, wie jetzt den Kaffee. Meistens klimpert darin ein bisschen Bargeld, ab und an gibt es einen Schein. Mein Platz in der Nähe des Hotels ist gut, weil dort immer freundliche und betuchte Leute verkehren. Am Sonntagabend ganz besonders.«
Sie trank bedächtig einen Schluck Kaffee und fuhr dann fort: »Die Straße hatte sich schon geleert, ich war auf dem Weg zu meinem Schlafplatz. Dabei nehme ich eine Abkürzung, sie führt an der Seitenfront des
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