2950 - Es ist nie zu spät zum Sterben
Tatorten auftauchte. Zumindest war das sehr ungewöhnlich und ich hätte ihm gerne ein paar Fragen gestellt.
Endlich erreichte ich das Erdgeschoss. Die Tür stand offen. Ein weiblicher Officer hielt dort Wache. Ich hielt meine ID-Card hoch.
»Ist hier gerade ein Mann hergelaufen?«
»Ja, Sir.« Die Polizistin deutete zur Straße. »Dunkles Haar bis tief in die Augen, Lederjacke und ein Sweatshirt, auf dem BLACKBIRD steht?«
»Exakt!«
Ich war wenige Augenblicke später im Freien. Auch dort war eine Menge los. Schaulustige drängten sich um den Leichenwagen des Gerichtsmediziners, der bis zur Tür herangefahren war. Uniformierte Kollegen des NYPD versuchten sie so gut es ging auf Abstand zu halten. Inzwischen war auch das Kamerateam eines lokalen Fernsehsenders in der Nähe. Ich sah mich nach dem BLACKBIRD-Mann um und entdeckte ihn schließlich in der Menge. Allerdings nur für einen kurzen Moment, dann war er verschwunden.
Ich versuchte ihm zu folgen und erreichte schließlich die nächste Straßenecke. Von dem Kerl war nichts mehr zu sehen. Eine kleine, enge und relativ schlecht beleuchtete Nebenstraße führte nach rechts. Zahlreiche Fahrzeuge waren dort abgestellt worden. Sie säumten die Bürgersteige Stoßstange an Stoßstange.
Ein Wagen startete, brach aus der Parklücke aus und raste auf mich zu. Das Fahrzeug war kaum mehr als ein Schatten, denn es fuhr ohne Licht. Gerade noch rechtzeitig warf ich mich zur Seite und rollte auf dem Asphalt ab.
Haarscharf raste der Wagen an mir vorbei. Es war nichts zu erkennen – weder der Fahrer noch das Nummernschild. Eine Mittelklasse-Limousine, schätzte ich. Welches Fabrikat, war unmöglich zu sagen. Mit quietschenden Reifen bog der Wagen um die Ecke und fädelte sich auf geradezu brutale Weise in den Verkehr ein. Ein Lieferwagen musste hart bremsen. Irgendwo knallte es.
Ich stand wieder auf. Meine Schulter schmerzte etwas.
Das ist er gewesen, sagte mir mein Instinkt.
***
Als ich wieder die Hauptstraße erreichte, kam Phil mir entgegen. »He, was war los?«, wollte er wissen.
Aber meine Aufmerksamkeit wurde zunächst einmal von etwas anderem abgelenkt. Es hatte einen Auffahrunfall gegeben – vermutlich ausgelöst durch die Vollbremsung des Lieferwagens, der wiederum dem Flüchtenden ausgewichen war.
»So ein Spinner!«, hörte ich den Fahrer des Lieferwagens ziemlich aufgeregt rufen. »Fährt ohne Licht und rast einfach in den fließenden Verkehr hinein!«
»Das machen die Drogen«, glaubte jemand anders zu wissen.
»Der Typ mit dem BLACKBIRD-Sweatshirt ist nicht ohne Grund hier am Tatort gewesen, Phil«, sagte ich, während ich mich bereits in der Vorwärtsbewegung befand. »Er hat uns beobachtet, als wir wegen Dexter Cruz im Garten nach Spuren suchten, und jetzt ist er wieder in der Nähe, während wir eine Leiche vorfinden, deren Mund voller Steine ist.«
»Du glaubst doch nicht, dass das der Killer ist?«
»Wieso nicht?«
»Könnte ein Reporter sein, der den Polizeifunk abhört.«
»Jedenfalls würde ich gerne mal mit ihm sprechen.«
»Kann ich nachvollziehen.«
»Und vor allem frage ich mich, wieso er es so verflucht eilig hatte, hier wegzukommen, wenn er nichts zu verbergen hat.«
Ich erreichte mit ein paar Schritten den Mann mit dem Lieferwagen. Der stritt sich inzwischen lautstark darüber, wer jetzt von den Unfallbeteiligten für den Schaden aufzukommen hatte.
Ein paar Officers, die eigentlich dafür abgeordnet waren, vor dem Haus, in dem Jarmila Mendoza aufgefunden worden war, für Ordnung zu sorgen, den Tatort abzusperren und den Einsatzfahrzeugen zu ermöglichen, nahe genug an die Haustür heranzufahren, waren schon herbeigeeilt. Ein mittelschwerer Stau hatte sich bereits gebildet.
Ich hielt meine ID-Card hoch. »Jerry Cotton, FBI!«
»Ein gewöhnlicher Officer wäre mir jetzt ehrlich gesagt lieber«, meinte der Fahrer des Lieferwagens. »Wer bezahlt mir den Schaden, wenn so ein Irrer auf den Straßenverkehr losgelassen wird?«
»Konnten Sie den Mann erkennen?«, fragte ich.
»Wie denn? Der Wagen war unbeleuchtet.«
»Aber Sie hatten doch Licht an, und hier ist ja auch die Straßenbeleuchtung ganz ordentlich.«
Der Fahrer des Lieferwagens war ein ziemlich großer, aber leicht übergewichtiger Mann. Er überragte mich noch um einen halben Kopf und verschränkte die Arme. Eine tiefe Furche erschien auf seiner hohen Stirn. »War das ein gesuchter Gangster oder wieso interessiert sich das FBI für einen Verkehrsunfall?«, fragte er
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