3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
sah ihn kommen und schickte ihre Söhne, um beim Tragen zu helfen. Sie dirigierte ihn die Treppe hinauf, und begrüßte ihn mit einer herzlichen Umarmung und Ausrufen der Begeisterung.
Schon am Morgen im Gericht waren ihm die meisten Familienmitglieder vorgestellt worden. Jetzt aber sah er sie sich genauer an. Da waren Charlies Brüder Alessandro, Benito, Gasparo, Nettas Bruder Matteo mit seiner Frau Angelina und den fünf Kindern. Nettas Mann Tomaso klopfte Luke auf die Schulter und hieß ihn freundlich willkommen. Mehrere Onkel und Tanten schüttelten ihm die Hand, und er hatte das Gefühl, die Wohnung würde, bildlich gesprochen, aus allen Nähten platzen. Charlie bot ihm etwas zu trinken an.
„Heute Abend bleibe ich bei Orangensaft“, erklärte Luke. „Ich will nicht schon wieder Ärger bekommen.“
„Ach, komm schon, trink wenigstens ein Glas Wein mit uns.“
„Dräng ihn nicht, Alkohol zu trinken, Charlie“, ertönte Minnies Stimme hinter ihnen. „Er hat bestimmt keine Lust, deinetwegen noch einmal in Schwierigkeiten zu geraten.“
Luke drehte sich zu ihr um und betrachtete sie überrascht und bewundernd. Sie trug eine dunkelrote Seidenhose, die ihre schmale Taille und die wohl gerundeten Hüften betonte, dazu eine extravagante pinkfarbene Seidenbluse. Das blonde Haar hatte sie nach hinten gebürstet, was ihr schönes Gesicht und ihre feine helle Haut noch besser zur Geltung brachte. Man könnte sie für eine ganz andere Frau halten, kaum noch etwas erinnert an die strenge Rechtsanwältin von heute Morgen, dachte er. „Danke, dass Sie mir schon wieder helfen“, sagte er.
Sie lachte unbekümmert und sah ihn an. „Sich zweimal an einem Tag mit Charlie abzugeben sollte man auch dem stärksten Mann nicht zumuten. Ich hole Ihnen schnell ein Glas Orangensaft.“ Nachdem sie es ihm gebracht hatte, kümmerte sie sich um die anderen Gäste. Sie hat eine fantastische Figur, ich bin beeindruckt, gestand er sich ein. Diese auffallend schöne und strahlende Frau schien so gar nicht zu Charlies Beschreibung zu passen. Es war schwer vorstellbar, dass etwas in ihr gestorben sein sollte. Sie wirkte sehr lebendig, geheimnisvoll und faszinierend.
Immer mehr Gäste trafen ein, und Luke wurde neugierig gemustert. Ihm war klar, dass alle wussten, wer er war. Die jungen Frauen versuchten, mit ihm zu flirten, und als jemand eine CD auflegte, wurde getanzt.
Wie die Leute es fertigbrachten, in dem Gedränge und in dem für die vielen Menschen viel zu kleinen Raum zu tanzen, war Luke rätselhaft. Aber sie schafften es. Er beteiligte sich an den Gesprächen, lachte mit den Leuten und schien sich zu amüsieren. Obwohl er nach der schlaflosen Nacht ziemlich müde war, wollte er die Gelegenheit nutzen, seine Mieter für sich zu gewinnen. Dann würden sie ihm weniger Schwierigkeiten machen.
Als Minnie sich an ihm vorbeidrängte, nahm er ihre Hand. „Wir sollten auch einmal zusammen tanzen.“
„So? Sollten wir das?“
„Ja, um einen Waffenstillstand zu schließen.“
„Den schließt man doch erst, wenn der Kampf beendet ist. Unserer hat noch gar nicht richtig angefangen“, wandte sie ein.
„Dann schaffen wir eben einen Präzedenzfall“, entgegnete er und legte ihr die Hand auf die Taille. „Okay“, gab sie nach, „tanzen wir.“
„Sie sind zu gütig.“
Minnie begegnete seinem teils spöttischen, teils belustigten Blick, der wie eine Aufforderung wirkte, mit ihm über die scherzhafte Bemerkung zu lachen. Zum Teufel mit ihm, warum ist er so attraktiv, dass er mir unter die Haut geht, dachte sie.
„Wie fühlen Sie sich jetzt?“, fragte sie.
„Schon viel besser und etwas ärmer.“
„Warten Sie, bis Sie meine Rechnung erhalten haben. Dann haben Sie wirklich das Gefühl, ärmer zu werden.“
„Vergessen Sie Charlies Rechnung nicht“, erinnerte er sie.
„Sie glauben doch nicht, dass Charlie von mir eine Rechnung bekommen würde. Er ist mein Schwager.“
Gespielt verzweifelt schüttelte Luke den Kopf. „Sie hätten mir doch für ihn eine überhöhte Rechnung schicken und das Geld für notwendige Reparaturen zurücklegen können.“
„Ah ja. Offenbar eigne ich mich nicht zur Betrügerin“, erwiderte sie wehmütig.
„Sie spielen lieber mit offenen Karten und suchen die Konfrontation mit dem Gegner, statt irgendwelche Tricks anzuwenden. Das ist sehr mutig, aber manchmal bringt es einen nicht weiter.“ „Mit Tricks zu arbeiten ist nicht mein Stil. Außerdem habe ich bisher auch so alle
Weitere Kostenlose Bücher