3 - Wächter des Zwielichts
wollte als kleiner Junge nicht den Wagen fahren, mit dem der Rasen gesprengt wurde? Damals, in der frühen Kindheit, als wir noch nicht davon träumten, Banker oder Killer zu werden...
»Überleg's dir, ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen«, meinte Lass aufgeräumt. Der Wagen fuhr über den Hof, fegend, waschend, Dreck aufsaugend. Aus dem Fahrerhäuschen schallte es herüber: Von Hausmeistern und Aufpassern eine ganze Generation In den Weiten eines endlosen Winters ging einander
verlor'n... Ein jeder stürmte davon, zurück in sein Haus. In unsrer Zeit, wo jeder Dritte wird zum Held erkor'n Lassen sie die Finger vom Feuilleton Schicken sie keine Telegramme in die Welt hinaus... Leicht perplex kehrte ich zurück ins Vestibül. Von den Security-Leuten erfuhr ich, wo sich die Postabteilung des Assol befand. Dorthin ging ich. Die Post war offen. In einem gemütlichen Saal langweilten sich drei junge Frauen, hier stand auch ebenjener Kasten, in den besagter Brief gesteckt worden war. Unter der Decke flimmerten die Augen der Videokameras.
Alles in allem könnten auch wir ein paar professionelle Ermittler gut gebrauchen. Die wären sofort auf diesen Gedanken gekommen.
Ich kaufte eine Ansichtskarte mit einem hüpfenden Küken im Brutkasten und dem Aufdruck: »Ich vermisse meine Familie!«Nicht gerade lustig, aber ich wusste die Adresse von dem Dorf, in dem meine Familie Urlaub machte, sowieso nicht auswendig. Deshalb schickte ich die Karte mit einem hämischen Grinsen Geser nach Hause: seine Adresse kannte ich.
Ich unterhielt mich ein bisschen mit den Frauen. In einem derart elitären Haus zu arbeiten verlangte ohnehin, dass sie freundlich auftraten. Außerdem langweilten sie sich. Danach verließ ich die Post. Und ging in die Sicherheitsabteilung im Parterre.
Hätte ich das Recht gehabt, auf meine Fähigkeiten als Anderer zurückzugreifen, hätte ich dem Security-Mann einfach Sympathie für mich eingeflößt und mir damit Zugang zu allen Videocassetten verschafft. Aber ich durfte meine Tarnung nicht aufgeben. Weshalb ich beschloss, den universellsten aller Sympathieheraufbeschwörer einzusetzen: Geld.
Von dem mir ausgehändigten Geld nahm ich hundert Dollar in Rubeln - mehr brauchte ich doch wohl nicht, oder? Damit ging ich ins Zimmer der Security-Leute, wo sich ein junger Mann in streng geschnittener Uniform langweilte.
»Guten Tag!«, begrüßte ich ihn mit freudestrahlendem Lächeln.
Mit seiner ganzen Miene drückte der Security-Mann seine uneingeschränkte Zustimmung zu meiner Einschätzung des heutigen Tages aus. Ich schielte zu den Monitoren vor ihm hinüber, mindestens ein Dutzend Videokameras übermittelten hier ihre Bilder. Vermutlich könnte er jeden x-beliebigen Moment wiederholen. Wenn das Ganze auf einer OAW gespeichert wurde (und wo sonst?), brauchten die Aufzeichnungen der letzten drei Tage noch nicht ins Archiv gewandert zu sein.
»Ich habe ein Problem«, erklärte ich. »Gestern habe ich einen komischen Brief bekommen ...« Ich zwinkerte. »Von einer Frau. Soweit ich es verstanden habe, wohnt sie auch hier.« »Einen Drohbrief?«, hakte der Mann nach.
»Nein, nein«, beschwichtigte ich ihn. »Ganz im Gegenteil ... Aber die geheimnisvolle Unbekannte möchte ihr Inkognito wahren. Ob ich wohl mal sehen könnte, wer hier vor drei Tagen einen Brief abgeschickt hat?« Der Security-Mann dachte nach.
Und dann verdarb ich alles. Indem ich das Geld auf den Tisch legte. Und lächelnd »Ich wäre Ihnen sehr dankbar...« sagte.
Sofort erstarrte der Mann. Dann musste er mit dem Fuß auf einen Knopf gedrückt haben.
Zehn Sekunden später kamen zwei seiner Kollegen herein - ausgesprochen höfliche Männer, was sich bei ihrer massiven Statur recht komisch ausnahm -, die mich aufforderten, sie zu ihrem Chef zu begleiten.
Es gibt eben doch einen Unterschied - einen gewaltigen sogar - zwischen Staatsbeamten und einem privaten Security-Service...
Ob sie mich auch mit Gewalt zu ihrem Chef bringen würden? Wäre interessant, das einmal herauszukriegen. Schließlich handelt es sich bei ihnen nicht um die Miliz. Am Ende zog ich es aber doch vor, die Situation nicht noch weiter eskalieren zu lassen, und schloss mich dem Zivilkonvoi an. Der Chef der Security-Leute, ein älterer Mann, der ganz klar aus dem KGB oder der Miliz hervorgegangen war, schaute mich vorwurfsvoll an.
»Was haben Sie sich denn dabei gedacht, Herr Gorodezki...«, meinte er, während er den Ausweis, der mich berechtigte, das Gelände
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