30 - Auf fremden Pfaden
der Christenhund, der mich geschlagen hat! Ergreift und bindet ihn! Er soll mir die Mißhandlungen mit den Qualen der Dschehennah (Hölle) bezahlen!“
Es war der Khabir, der das sagte. Vor Erstaunen über mich vergaß man, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Da wollte er mich selber packen; ich gab ihm einen Stoß, daß er zurückflog, und fragte:
„Wo ist Rhagata, der Anführer dieser Tuareg?“
„Ich bin es“, antwortete ein kühn und finster aussehender Mann, neben dem der Khabir, der also doch ein Targi war, gesessen hatte. „Bist du wirklich der Christenhund, von dem mir dieser mein Botschafter erzählt hat, so hat dich der Wahnsinn hierher zurückgetrieben. Der Rächer wird dich fassen und unter tausend Qualen töten!“
„Urteile nicht zu schnell! Ein Christ fürchtet nicht die Rache eines Moslem, denn Isa Ben Marryam (Jesus, Sohn Mariens) ist mächtiger als Mohammed.“
Diese Worte riefen laute Rufe des Grimmes hervor, und Rhagata schrie mich wütend an:
„Du wagst es, den Propheten zu lästern, gegen den euer Isa nichts ist als ein Lufthauch, der nichts gilt? Wir werden dich – – –“
„Schweig!“ unterbrauch ich ihn lauter, als er gesprochen halte. „Höre erst, was ich dir zu sagen habe! Du hast einen Knaben, welcher Khaloba heißt?“
„Ja“, antwortete er erstaunt.
„Dieser Knabe ist dir geraubt worden, und niemand kann ihn dir wiedergeben als nur ich allein, der Christ. Kein Mohammed kann ihn dir bringen und keiner eurer Kalifen weiß ihn zu finden. Jetzt töte den Christen, wenn dir's beliebt. Hier hast du mich!“
Ich ging zwischen den Tuareg hindurch und setzte mich neben ihrem Anführer nieder. Man kann sich denken, welchen Eindruck dieses Verhalten und meine Botschaft hervorbrachten! Man wollte mir natürlich nicht glauben; aber ich erzählte und zeigte dann einen kupfernen Suwar (Armring) vor, den ich dem Knaben abgestreift und als Beweis mitgebracht hatte. Nun fand ich Glauben, und der Grimm der Tuareg richtete sich gegen die Tibbu, die aber alles leugneten und von einem Targiknaben nichts wissen wollten. Es begann nun eine lange, lange Verhandlung, bei welcher ich fast mehr als alles aufbieten mußte, um meinen Zweck zu erreichen: Endlich, endlich aber kam ich zum Ziel. Meine und Kamils Person sollten heilig sein wie auch all unser Eigentum; Abram Ben Sakir und seine Leute sollten die Freiheit und alles, was ihnen abgenommen worden war, zurückerhalten; für die Tibbu aber konnte ich nichts erreichen. Dafür aber sollte ich jetzt in Begleitung einiger Tuareg fortreiten und den Knaben holen. Dieses Übereinkommen wurde auf alle mögliche Weise festgemacht und von den Tuareg mit so heiligen Schwüren belegt, daß ich unmöglich an eine Hinterlist glauben konnte. Das einzige Bedenken bereitete mir der Khabir, weil er höchst bereitwillig einstimmte, obgleich er vorher eine so große Lust zur Rache gezeigt hatte.
Wir ritten fort und brachten nach vier Stunden den Knaben zu seinem Vater; natürlich hatte ich Kamil jetzt auch bei mir. Die Freude, welche Rhagata über das Wiedersehen mit seinem Sohn zeigte, vergrößerte mein Vertrauen und verminderte meine Vorsicht. Den Tibbu wurde blutige Rache geschworen, und ich bekam nur Dank zu hören und freundliche Blicke zu sehen; ich schenkte den Tuareg, welche zuweilen hinter mir vorübergingen, keine Beachtung mehr und bekam plötzlich einen Kolbenhieb auf den Kopf, der mir die Besinnung raubte.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich mit Kamil gefesselt und ausgeraubt bei den anderen Gefangenen, und vor mir stand der Khabir, welcher, als er sah, daß ich die Augen aufschlug, mir höhnisch zurief:
„Jetzt hast du, was dir gehört, verfluchter Christenhund! Du bist mein und sollst sterben, wie tausend Teufel dich nicht sterben lassen könnten!“
Der Scheik hörte diese Worte, kam herbei und sagte mit demselben Hohn:
„Jetzt behaupte noch einmal, daß dein Isa mächtiger sei als Mohammed. Rufe ihn doch an, daß er dich befreien und vom Tod erretten möge!“
Mein Kopf schmerzte mich außerordentlich; ich versuchte, das zu überwinden und antwortete:
„Sprich die beiden Namen nicht nebeneinander aus! Isa Ben Marryam ist Gottes Sohn, der Heiland der Welt und der göttliche König der Wahrheit und Gerechtigkeit. Schande aber über einen Propheten, bei dem ihr die heiligsten Eide schwört, um sie dann zu brechen.“ Ich schloß die Augen und achtete weder auf die Fußtritte, die ich wieder erhielt, noch auf die Drohungen,
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