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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Außenseite des Felsens und ging an demselben hin, bis es eine Spalte gab, in welche ich eindrang. Sie hatte eine ziemlich gerade Richtung und war so breit, daß ich ihr unschwer folgen konnte. Bald bemerkte ich, daß ich mich nicht geirrt hatte; es war derselbe Riß, an welchem im Innern des Hufeisens der Tachterwahn stand. Niemand beachtete das, und ich konnte, hinter einer Ecke kauernd, die Sänfte deutlich sehen.
    Ich kehrte wieder in das Lager zurück und führte mit Kamil unsere Kamele hinaus und so um die Ecke, daß sie von den Tuareg, wenn sie kamen, nicht gesehen werden konnten. Wir banden ihnen die Vorderbeine zusammen, so daß es ihnen nicht möglich war, sich zu legen, aber nur leicht, damit die Schlingen schnell zu lösen waren, denn wir durften, sobald der von mir erwartete Fall eintrat, keinen Augenblick verlieren.
    „Was hast du vor, Sihdi?“ fragte mich Kamil.
    „Die Flucht“, antwortete ich. „Ich will aber den Knaben mitnehmen, der in dem Tachterwahn gefangen und wahrscheinlich auch angebunden ist. Also höre, was ich dir sage! Ich rechne, daß es nicht mehr lange dauert, bis die Tuareg kommen; eher kann ich mich des Knaben nicht bemächtigen. Siehst du dort den Riß? Er führt durch den Felsen nach der Sänfte, und ich verstecke mich jetzt darin. Du aber gehst wieder hier um die Ecke und ein Stück vom Lager in die Wüste hinaus. Von da aus mußt du die Tuareg kommen sehen. Du verhältst dich ganz ruhig, sprichst mit keinem Menschen und verrätst kein Wort, auf wen du wartest. Aber sobald du sie kommen siehst, schlägst du Lärm und läufst dann hierher, um auf mich zu warten. Die Ankunft der Feinde wird eine große Verwirrung hervorbringen, welche ich dazu benütze, den Knaben aus der Sänfte zu holen. Wenn ich mit ihm hierher komme, hast du den beiden Tieren bereits die Fesseln von den Beinen gebunden und stehst nicht bei deinem, sondern bei meinem Kamel, weil ich mit dem Knaben, der sich wahrscheinlich wehren wird, nicht in den hohen Sattel kann. Ich gebe ihn dir; du hältst ihn fest, bis ich oben sitze, und reichst ihn mir dann hinauf. Habe ich ihn, so kletterst auch du in den Sattel und wir reiten auf und davon. Wenn dich nun jemand fragt, wo ich bin, wirst du sagen, daß ich – – –“
    „Ich weiß schon, was ich sage, Sihdi“, unterbrach er mich. „Habe keine Sorge um meine Geistesgegenwart! Mach nur du keinen Fehler, damit wir nicht trotz unserer Verwegenheit doch noch von den Tuareg erwischt werden!“
    Er ging, und ich kroch wieder in den Spalt, dem ich soweit folgte, bis ich, wieder hinter der Ecke versteckt, den Tachterwahn vor Augen hatte. Das Messer nahm ich schon jetzt in die Hand, um die vermuteten Fesseln des Knaben unverweilt zu durchschneiden.
    Zufälligerweise kam Kamil in meinen sehr engen Gesichtskreis; ich sah, daß er sich langsam schlendernd hinaus in die Wüste entfernte und dort, nach Norden gerichtet, stehen blieb. Eben wollte ich mich fragen, wie lange ich wohl zu warten haben würde, da drehte er sich um, kam in weiten Sprüngen zurückgerannt und schrie:
    „Reiter kommen, viele Reiter kommen! Eilt herbei, ihr Leute, und seht, wer sie sein mögen! Doch nicht etwa die Tuareg, von denen mein Sihdi gesprochen hat!“
    So viele Menschen es im Lager gab, so viele liefen vor dasselbe hinaus; es blieb kein einziger in demselben, und der Tachterwahn stand völlig unbewacht. Im nächsten Augenblicke war ich bei ihm und riß, mich um weiter nichts anderes kümmernd, die Vorhänge auseinander. Meine Vermutung bestätigte sich; ich sah einen dunkelhäutigen, schwarzhaarigen Knaben, der vielleicht fünf Jahre alt sein mochte und gefesselt war. Einige schnelle Messerschnitte machten ihn frei; dann faßte ich ihn, zog ihn heraus und eilte in den Spalt zurück, indem ich hinter mir schreien hörte:.
    „Die Tuareg, die Tuareg! Schnell auf die Kamele, schnell und fort!“
    „Sei still, und habe keine Angst; ich rette dich!“ raunte ich dem Knaben arabisch zu, weil ich der Sprache der Tuareg nicht mächtig war. Entweder verstand er mich doch, oder es war aus Angst, daß er keine Bewegung machte.
    Ich glitt so rasch wie möglich durch den Spalt. Draußen stand Kamil schon bei meinem Kamel. Ich reichte ihm den Knaben und kletterte in den Sattel. Da hörten wir schon die ersten Schüsse fallen. Er gab mir den Knaben hinauf, sprang zu seinem Kamel, war mit affenartiger Behendigkeit oben, und dann ritten wir, von niemandem gesehen, davon, während das Geschrei und

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