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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn getroffen?“
    „Bei dem Händler, von welchem ich mir das Geld geholt habe.“
    „Bei dem war er? Hat er gesehen, daß du soviel ausbezahlt bekamst?“
    „Ja.“
    „So sei vorsichtig, und nimmt es nicht mit!“
    „Effendi, was denkst du von Abd el Kahir! Er ist ein ehrlicher Mann, bei dem wir sicherer sind als an jedem andern Orte, soweit die Erde reicht. Und wem sollte ich die Summe während unserer Abwesenheit anvertrauen?“
    „Es mag einer von euch hier bleiben, dem du das Geld gibst.“
    „Dazu entschließt sich keiner, denn das wäre die Unterlassung eines sehr verdienstlichen Werkes.“
    „Hm! Kennst du Abd el Kahir persönlich?“
    „Nein.“
    „So kannst du also nicht wissen, ob er es wirklich ist. Wann will er mit seinen Pferden kommen?“
    „In einer Stunde.“
    „Hm! So möchte ich während dieser Zeit zu dem Händler gehen und mich erkundigen, ob der Araber, welcher bei ihm gewesen ist, wirklich Abd el Kahir war.“
    „Das ist unnötig, denn der Händler hat ihn bei diesem Namen genannt und, als ich dabei war, mit ihm vom Stamme der Muntefik gesprochen. Als wir miteinander fortgingen, kamen wir in ein kurzes Gespräch, wobei ich ihm sagte, daß wir mit dir nach dem Kubbet el Islam wollten, und zwar auf Eseln reitend. Da bot er mir gleich seine Pferde an, indem er sagte, daß es eines solchen Emirs, wie du bist, nicht würdig sei, sich auf ein solches Tier zu setzen; er werde dir gern seine eigene, kostbare Stute leihen.“
    „So? Sagte er dir, wo er seine Pferde hat?“
    „Im Dorfe El Nahit, welches draußen vor dem Tor von El Mirbad liegt. Natürlich ist nur die Stute sein; die übrigen gehören seinen Leuten, die mit ihm sind; die werden aber nichts dagegen haben, daß wir sie für kurze Zeit benutzen.“
    „Weiß er denn, wo wir wohnen?“
    „Ja, denn er ist mit mir bis an dieses Haus gegangen.“
    „So konntest du ihn mit hereinbringen!“
    Mein Verhalten schien ihn halb zu kränken und halb zu erzürnen, denn er sagte:
    „Du hast mich bis jetzt noch nicht für einen Knaben gehalten, scheinst es aber nun zu tun. Bedenke, daß mir die Kelleks und ihre Fracht anvertraut worden sind! Das mag dir sagen, daß ich es nicht nötig habe, Worte des Mißtrauens anzuhören!“
    „Und ich versichere dir, daß es nicht meine Absicht gewesen ist, dich zu beleidigen. Ich habe die Gewohnheit, alles mit möglichster Vorsicht zu tun, und will hoffen, daß dies im vorliegenden Fall nicht angebracht gewesen ist.“
    Damit war der Wortwechsel zu Ende, denn ich glaubte, allerdings zu weit gegangen zu sein. Wer sollte es wagen, sich für Abd el Kahir auszugeben, ohne es zu sein! Dieser Scheik, dessen Name ‚Diener der Tugend‘ bedeutet, stand in einem sehr guten Ruf, und es war eine Ehre für mich, auf seiner Stute reiten zu dürfen.
    Nach der angegebenen Zeit ließ sich draußen Pferdegetrappel vernehmen, und dann erschien im offenen Eingange ein dunkelbärtiger Mann, der uns mit einem kurzen Blick musterte, und dann zu mir gewandt, mit einer höflichen Verneigung grüßte:
    „Sabah el eher, ia Emir – guten Morgen, o Emir! Mein Auge ist stolz darauf, dich sehen zu dürfen.“
    Er trug Sandalen an den nackten Füßen und einen einfachen, durch eine Kamelschnur zusammengehaltenen Haïk, dessen Kapuze hinten hinunterhing, so daß sein Kopf jetzt unbedeckt war. Noch selten hatte ich so einen Charakterkopf gesehen. Das dunkle Haar desselben war in viele, dünne Zöpfchen geflochten, welche nach allen Seiten herunterhingen. Schief über die niedrige, aber breite Stirn gingen zwei nahe beieinander liegende Narben, welche nicht von einer Verwundung herrührten, sondern sichtbar durch absichtliche Messerschnitte hervorgebracht worden waren. Es gibt Stämme, und dies sind immer sehr kriegerische, welche ihre Angehörigen durch solche Merkmale vor andern auszeichnen. Daß die Muntefik-Araber solche Narben trugen, war mir bisher unbekannt geblieben. Der Bart war dichter, als sonst bei den Arabern zu bemerken ist. Sein Auge hatte einen scharfen, fast stechenden Blick, was aber kein Grund war, mißtrauisch zu sein, zumal er in so höflicher Weise grüßte. Daß er vom Stolz sprach, mich zu sehen, war orientalische Ausdrucksweise und nicht etwa eine Überschwenglichkeit, die mich hätte zur Vorsicht mahnen können. Darum stand ich auf, verbeugte mich ebenso und antwortete:
    „Sabah el eher, ia Scheik! Sei mir willkommen, und setze dich!“
    Ich reichte ihm die Hand, und dann setzten wir uns nebeneinander

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