30 - Auf fremden Pfaden
mir hätte und wir alle bewaffnet wären, könnten wir doch nichts gegen euch machen. Es ist ja bekannt, daß Kara Ben Nemsi mehrere Bunduk es Sihr (Gewehre der Zauberei) besitzt, mit denen er immerfort schießen kann, ohne laden zu müssen. Dies müßte, selbst wenn ich eine böse Absicht gegen euch hätte, mich von derselben abbringen.“
Also selbst bis in diese Gegend, bis zu den Muntefik-Arabern war die Kunde von meinem Henrystutzen gedrungen! Ich brauchte mich freilich nicht darüber zu wundern, wenn ich an die Erfolge dachte, welche ich mit diesem Gewehr bei den Arabern des Tigris zu verdanken gehabt hatte.
Nach kurzer Zeit kamen wir an den ausgetrockneten Flußarm, welcher Dscharri Zaade heißt, und da sahen wir die Ruinen von Alt-Basra liegen. Wir hätten eigentlich von Nordosten an diese kommen müssen, befanden uns aber infolge unseres Umwegs an ihrer südöstlichen Seite.
Mein Mißtrauen war, wie bereits gesagt, verschwunden, erwachte aber wieder, als ich bemerkte, daß Abd el Kahir das Ruinenfeld mit einem scharfen, erwartungsvollen Blick absuchte. Hatte er etwa jemand herbestellt, nach dem er jetzt forschte? Wer konnte das sein? Einer seiner Leute? Oder gar mehrere? Von der Zeit an, wo er sich gegen Mesud erboten hatte, uns seine Pferde zu borgen, waren weit über zwei Stunden vergangen, genug für die Muntefik, um zu Fuß herzukommen. Hatte ich das Richtige getroffen, so war ihr Weg der direkte, der kürzeste gewesen, und der Scheik hatte einen Umweg gemacht, damit wir ihre Spuren nicht sehen sollten. Jetzt kam mir sein Verhalten in einem ganz andern Licht vor. Nun erklärte ich mir auch den begehrlichen Blick, den er auf mich geworfen hatte; er war weniger auf meine Person als vielmehr auf meine Gewehre, auf die ‚Zauberflinten‘ gerichtet gewesen, die schon gar manchem in die Augen gestochen hatten.
Aber ich konnte mich auch irren und sagte mir darum, daß ich nichts gegen ihn unternehmen dürfe, bis ich die Beweise für seine Unehrlichkeit in den Händen hätte. Wenn ich ihn wieder ohne Grund beleidigte, konnten wir alle leicht der Rache dieses mächtigen Scheiks verfallen.
„Da du Kubbet el Islam so genau kennst“, sagte Mesud zu ihm, „so wirst du uns wohl sagen können, welche von den Ruinen die des Beit Ibn Risaa (Haus des Ibn Risaa) ist? Dort müssen wir unsere Andacht verrichten.“
Der Gefragte zeigte nach einem auf der Südseite gelegenen Ruinenhaufen und antwortete:
„Dort ist's, wohin ich euch führen muß. Die Pferde lassen wir hier.“
„Warum?“ fragte ich. „Wir können ja hinreiten.“
Da blitzte mich sein Auge drohend an, und er erwiderte:
„Die Pferde gehören nicht euch, sondern mir, und sie bleiben da, wo ich es bestimme!“
„So bleibe ich auch hier!“
„Tu, was du willst. Ihr andern kommt!“
Er ging fort, und sie folgten ihm. Ich fand kaum noch Zeit, Mesud zuzuraunen, vorsichtig zu sein, und Omar Ben Sadek einen warnenden Blick zuzuwerfen. Halef blieb bei mir stehen.
„Du gehst nicht mit?“ fragte ich ihn.
„Nein. Ich gehöre zu meinem Sihdi und habe keinen Grund, diesen Ibn Risaa zu verehren. Ich verehre Isa, aber nicht Risaa. Dieser Scheik scheint dir nicht zu gefallen?“
„Nein. Ich habe ihn im Verdacht, böse Absichten gegen uns zu hegen. Bleib hier bei den Pferden, während ich nachsehen werde, ob meine Vermutung richtig ist!“
„Welche Vermutung?“
„Daß sich seine Muntefik auch hier befinden.“
„Die sind doch in dem Dorf El Nahit!“
„Will es wünschen! Es ist bis jetzt nur ein Verdacht, der auf keinem festen Grund ruht, und es wird mir sehr lieb sein, wenn ich diesen Grund nicht finde. Also bleib hier, und entferne dich ja nicht von den Pferden, deren Besitz für uns höchst wichtig ist.“
„Wo willst du hin?“
„Nach der Nordseite des Ortes. Sehe ich dort keine Spuren, so habe ich mich geirrt.“
„So laß mir deine Gewehre hier, denn sie werden dir beim Klettern hinderlich sein.“
„Gerade die nehme ich mit, denn man könnte es auf sie abgesehen haben.“
Ich ging. Halef hatte vom Klettern gesprochen, und zwar mit Recht. Ich hätte allerdings den ganzen Plan umgehen können ohne klettern zu müssen, aber dazu lange Zeit gebraucht, während meine Anwesenheit jeden Augenblick nötig werden konnte. Darum ging ich nicht ganz nach dem nördlichen Ende der Ruinenstadt, sondern bog schon eher in westlicher Richtung zwischen die Trümmerhaufen ein. So mußte ich jede von Norden kommende Spur durchkreuzen und
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