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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bemerken.
    Das Ruinenfeld besaß eine weit, weit größere Ausdehnung, als ich gedacht hatte. Ich kam immer tiefer zwischen Schutt und Mauerreste hinein, ohne auf eine Spur zu treffen. Mein Mißtrauen war doch wohl ungerechtfertigt gewesen. Schon wollte ich mich umwenden, um zu Halef zurückzukehren, da sah ich, zwischen zwei verfallenen Lehmmauern stehend, jenseits derselben eine ebene, freie Stelle, wo die Erde fein wie Staub war, und in diesem Staub schien es Eindrücke zu geben, welche freilich auch von einem Tier herrühren konnten. Schnell war ich dort und bückte mich – nein, ich bückte mich nicht nieder; dies war gar nicht notwendig, denn ich sah auch so ganz deutlich, daß hier Leute vorübergekommen waren; es konnten kaum weniger als zehn Personen gewesen sein.
    Meine Ahnung! Im ersten Augenblick wollte ich zu Halef zurück; aber er befand sich wahrscheinlich gar nicht oder überhaupt nicht in Gefahr, sondern es war zunächst auf Mesud abgesehen, der das Geld hei sich hatte. Er war mit den andern Haddedihn nach irgendeiner Stelle gelockt worden, wo sich die Muntefik versteckt hatten, um ihn auszurauben und gar auch zu ermorden. Nach dieser Stelle mußten die Spuren, die ich vor mir sah, führen. Darum kehrte ich nicht um, sondern ich folgte ihnen, und zwar so schnell, wie es mir bei dem schwierigen Terrain möglich war. Es ging auf- und abwärts, bald einen Trümmerhaufen empor, bald in ein steiles Loch hinunter. Zuweilen war ich, um einen Bogen, welche die Fährte machte, abzuschneiden, zu gefährlichen Sprüngen gezwungen. Ich rannte, sprang und kletterte weiter und weiter, bis ich, auf einem hohen Ruinenhaufen angekommen, keuchend stehen bleiben mußte, um mich einen Augenblick zu verschnaufen.
    Da sah ich links, doch weit von mir, die Pferde. Halef saß bei ihnen im dürren Gras, und neben ihm stand der Scheik. Sie schienen sich ganz freundlich zu unterhalten. Sollte ich mich denn wieder und immer wieder irren? Sollte Abd el Kahir doch ein ehrlicher Mann sein? Schon wollte mir das Herz wieder leicht werden, da sah ich, daß er einen Stein vom Boden aufhob, und ihn zum Schlage hochhaltend, schnell hinter Halef trat.
    „Halef, ati balak, ati balak – Halef, paß auf, paß auf!“ schrie ich hinunter, doch zu spät; der brave Hadschi bekam den Hieb auf den Kopf und fiel hintenüber.
    Da packte mich eine Wut, wie ich sie wohl noch nie gefühlt hatte. Ich rannte oder vielmehr ich sauste rutschend von dem Haufen hinab, schlug unten die Richtung nach den Pferden ein, mußte über eine hohe, von der Sonne fast zu Mehl gebrannte Mauer klettern; sie war mürbe wie Pfefferkuchen; dennoch kam ich hinauf; ich wollte drüben hinauf, sah aber gerade in diesem Augenblick Leute kommen, die nicht meine Haddedihn waren und unten vorüber wollten. Zugleich ertönte weiter südwärts von mir ein Geschrei, welches mir sagte, daß dort ein Unglück geschehen sein müsse. Sollte ich dorthin, oder – ja, was ich sollte oder wollte, das galt jetzt nichts, denn die Mauer, auf welcher ich stand oder vielmehr hing, brach unter mir zusammen und ich stürzte hinab, mitten zwischen die Kerls hinein, die sich augenblicklich auf mich warfen.
    Was in den folgenden Minuten geschah, das weiß ich nicht. Es war mir später, als ob ich, in eine dichte Staubwolke gehüllt und von vielen Händen am Boden festgehalten, mit Händen und Füßen um mich geschlagen und gestoßen hätte, um mich frei zu machen. Dann hüllte mich nicht bloß der Staub, sondern auch die Vergessenheit ein.
    Als ich wieder zu mir kam, sah ich Omar Ben Sadeks Gesicht gerade über dem meinigen.
    „Du schlägst die Augen auf, Effendi?“ rief er aus. „Hamdullillah, du bist also nicht tot! Siehst du mich? Hörst du, was ich sage?“
    Ich wollte antworten, brachte aber im Moment kein einziges Wort hervor. Mein Hals schien eine umgewendete Kardendistel und mein Kopf ein großes, aber leeres Wasserfaß zu sein, so war ich an dem ersteren gewürgt und auf den letzteren geschlagen worden.
    „Wach auf, Sihdi, wach vollends auf!“ bat Omar weiter. „Verstehst du denn nicht, was ich sage? Du hast doch die Augen offen!“
    Es standen sieben Haddedihn bei ihm, welche ebenso angstvoll auf mich niederblickten; aber ich konnte weder etwas sagen, noch mich bewegen.
    „O Allah! Er ist trotz der offenen Augen tot!“ fuhr er fort. „Wo mag Halef sein? Warum ist er nicht mit unserm lieben Effendi gegangen!“
    Halef! Mein guter, kleiner Hadschi! Das gab mir die Besinnung,

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